Andacht vom 10. Juli 2011

Die Predigt der Steine

zum 10. Juli 2011 – 3. Sonntag nach Trinitatis

„Lieber Gott, ich habe gehört, dass du in der Kirche wohnst. Letzte Woche bin ich dort gewesen. Ich muss sagen, du wohnst aber schön!“ So betet ein Kind, abgedruckt in der Sammlung „Kinderbriefe an den lieben Gott“.

Sehr viele Kirchen sind tatsächlich besonders „schön“, sie haben Atmosphäre und Ausstrahlung. Seit jeher haben sich Menschen beim Bau einer Kirche besondere Mühe gegeben. Warum eigentlich? Kann man in einer einfachen Lagerhalle nicht auch Gottesdienste feiern? Ja, man kann. Und Gott wohnt nicht nur in Kirchen.

Und doch: Wohl dem Ort, der eine schöne Kirche in seiner Mitte hat!
Wir Menschen brauchen das Schöne.
Mit dem Praktischen und Alltäglichen umgeben wir uns sowieso genug. Wir brauchen die Unterbrechung des Alltags, wir brauchen den Sonntag und eine schöne Kirche lädt dazu ein, auf ihre „Sprache ohne Worte“ zu hören. Es ist eine besondere Sprache. Wir können dort das hören, was wir anderswo nur schwer finden.

Unsere Vorfahren, die die Kirchen gebaut haben, wollten einen Raum schaffen, in dem es leichter fallen kann, sich zu sammeln, zu beten, sich das Herz anrühren zu lassen und Gott zu begegnen. Christen haben immer gewusst, dass der Gott, der Himmel und Erde gemacht hat, nicht in einem Haus aus Steinen einzufangen ist.

Ein Mann erzählt, dass er in Essen im Ruhrgebiet in der Nachkriegszeit aufgewachsen sei. Die Verhältnisse seiner Jugend seien sehr bescheiden gewesen, vieles war grau in grau. Seine Familie war katholisch und er selbst war Messdiener. Er habe die Kirche geliebt, sagt er, weil sie so schön war und weil immer Blumen auf dem Altar standen. Das war für ihn eine andere Wirklichkeit, Licht und Farbe in seinem eintönigen Alltag.
Unsere Zeit ist schnelllebig, Hektik und Stress bestimmen allzu oft das Leben.

Schon die Gebäude unserer Kirchen sprechen eine andere Sprache. Sie laden zur Ruhe ein, die jeder Mensch nötig hat. Viele Kirchen sind inzwischen auch „unter der Woche“ geöffnet. Die Türen stehen offen, man braucht nur hineinzugehen. Und am Sonntag ist es dann wie bei einem Chor: zur Predigt der Steine kommen dann noch weitere Stimmen dazu: die Orgel, Lieder und Psalmen, laute und stille Gebete, eine zweite Predigt und vieles andere mehr.

In einem modernen Kirchenlied heißt es: „In deinem Haus bin ich gern, Vater.“

Holger Hanke, Pfarrer der Kirchengemeinde Werther