Neulich beim Besuch der Grabeskirche in Jerusalem, war ich gespannt, was dieser besondere Ort mit mir machen würde. Schließlich gehören Kreuz und Auferstehung, die dort verehrt werden, zum Kern meines Glaubens und sind Anlass für Hoffnung und Trost für so viele Menschen weltweit. Mitten im Pilgerstrom fiel es mir immer schwerer, mich darauf zu konzentrieren. Ich erhoffte mir einen andächtigen Moment, stattdessen wurde ich in einer Menschenmasse zum Felsen Golgatha geschoben, der unter einem imposant geschmückten Altar zu sehen war. Ich verzichtete darauf, den Stein zu küssen und sah mich einer Menge von Handykameras gegenüber. Der Pilgerstrom führte mich weiter hinunter zur Grabeskammer, die von vielen Gläubigen umrundet wurde, um von einem Mönch kurz ins leere Grab gelassen zu werden. Ich war überwältigt und suchte mir einen ruhigen Platz, um all das auf mich wirken zu lassen. Wozu braucht es den Besuch dieser Kirche? Ist mein Glaube tiefer oder ein anderer geworden? Ich war fasziniert und irritiert. Und doch spürte ich, wie mich der Besuch erdete. Genauso, wie unser christlicher Glaube hier geerdet wird. Dass Jesu Kreuzigung nicht auf bloße Ideen zurückgeht, sondern auf historische Ereignisse ist hier zu entdecken. All die Menschen, die so erwartungsvoll anstanden, um einmal ins Grab zu schauen, zeigten mir, was hier seinen Anfang nahm: Ein Auferstehungsglaube, der uns auch heute an unseren Gräbern Trost und Hoffnung schenkt. Ein Geheimnis des Glaubens. Genauso faszinierend und geheimnisvoll wie ein Besuch der Grabeskirche, bleibt es für mich, wie Gott Licht in unser finsterstes Dunkel bringt. Nicht die Steine, nicht die prunkvollen Altäre, bewegten mich so sehr, sondern die Geschichte eines nahbaren Gottes, der im Leiden präsent ist und mir zeigt, dass Leid und Unheil nie das letzte Wort haben werden. Geerdete Hoffnung – die wünsche ich Ihnen, wenn der Ewigkeitssonntag Sie an die Gräber Ihrer Lieben führt und wenn manche Dunkelheit jegliches Licht zu verdecken scheint.
Pfarrer Tim Henselmeyer, Halle (Westf.)