Andacht vom 29. Juli 2018

Andacht zum 9. Sonntag nach Trinitatis, 29. Juli 2018

Vor fast genau zwei Monaten ist der Beschluss der bayerischen Landesregierung in Kraft getreten, dass im Eingangsbereich jeder öffentlichen Einrichtung des Freistaats ein Kreuz anzubringen ist. Als Symbol einer von christlichen Werten geprägten Kultur soll es so etwas wie ein Wegweiser für die Menschen sein, welche Werte für unsere Gesellschaft grundlegend sind und in welche Richtung sie sich weiterentwickeln soll.
Ist das falsch? Haben diejenigen Recht, die darin einen unangemessenen Übergriff des Staates in die Religionsfreiheit sehen? Oder gar den bayerischen Ministerpräsidenten Söder mit einem Auto-kraten wie Erdogan vergleichen? Solche Kritik konnte und kann man durchaus auch von Vertretern der evangelischen und katholischen Kirche hören.
Aber sollten sich Christenmenschen nicht freuen dürfen, dass hier wirklich ernst gemacht wird mit den christlichen Wurzeln unserer Gesellschaft? Beruhen nicht alle Grundwerte der modernen Staa-ten - Menschenrechte, Schutz der Schwachen, Glaubens- und Gewissensfreiheit - auf der Ethik Jesu, der Nächstenliebe? Und dann wäre doch das Kreuz im öffentlichen Raum eine klare Positionierung, eine Mahnung an alle Feinde von Demokratie und Gleichberechtigung!
Was ist jetzt richtig? Darf das Kreuz ein öffentliches Zeichen sein oder gehört es als religiöses Symbol ausschließlich ins Privatleben?
In der theologischen Erklärung von Barmen, mit der bekennende Christen 1934 den totalitären Anspruch des NS-Staates kritisierten, heißt es „Die Kirche ... erinnert an Gottes Reich, an Gottes Gebot und Gerechtigkeit und damit an die Verantwortung der Regierenden und Regierten.“ Diese Erinnerung ist ein öffentlicher, ein politischer Akt, zu dem Christen aller Zeiten und Staaten aufge-rufen sind. Sie geschieht selbstverständlich unter Achtung der staatlichen Souveränität und Neutra-lität und hat mit Autokratie oder Meinungsdiktatur nicht das Geringste zu tun.
Diese Erinnerung an Gottes Gerechtigkeit war vielleicht nie wichtiger als heute, wo viele überhaupt nicht mehr an Gott glauben können und andere in seinem Namen morden! Können Christinnen und Christen in dieser verrückten Welt etwas anders tun als sich immer und immer wieder zu ihrer Verantwortung zu bekennen und allen Mitmenschen immer wieder zu sagen, dass Gott die Liebe ist und nicht der Hass, die Versöhnung und nicht die Abgrenzung, die Sanftmut und nicht die Gewalt? Und wenn das Kreuz im öffentlichen Raum genau diese Botschaft verkörpert - warum müssen wir dann so dagegen sein?


Pfarrer Christoph Grün, Kreiskirchlicher Pfarrer