Andacht vom 06. November 2011

06. November 2011 - drittletzter Sonntag des Kirchenjahres

Vor einiger Zeit war ich abends im Matthias-Claudius-Haus, um die Andacht in der wunderschönen kleinen Kapelle des Hauses zu halten. Nachdem sie beendet war, halfen die Mitarbeiterinnen den Bewohnerinnen und Bewohnern, zurück in ihre Zimmer zu kommen, während ich mich darum kümmerte, die Kerze auf dem Altar zu löschen. „Wissen Sie“, sagte da eine Frau zu mir, „das ist eine ganz unberechenbare Kerze! Die kann man gerade ausgemacht haben und dreht sich um, und schon brennt sie wieder. Da muss man aufpassen, dass sie auch wirklich ausgelöscht ist, sonst fängt es hier noch an zu brennen…!“

Auf der Heimfahrt beschäftigte mich das noch in meinen Gedanken. Eine Kerze, die nicht so leicht zu löschen ist… – Und dann fiel mir ein Vers aus dem Jesaja-Buch ein, in dem das Bild einer nicht verlöschenden Kerze vorkommt: „Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen.“ (Jesaja 42, 3)

Diese tröstliche Zusage richtete sich damals an di jüdischen Menschen, die nach der Eroberung Judas und Jerusalems durch die Babylonier ins Exil verbannt worden waren und dort ohne Zukunftsperspektiven ihr Leben fristeten. Es waren Menschen, deren Hoffnungen geknickt waren und deren Zukunft ganz im Dunklen lag. Sie wussten nicht, wie es weitergehen sollte und weitergehen könnte, ob sie überhaupt eine Zukunft haben würden, so fern der Heimat und ohne Hoffnung auf Heimkehr.

„Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen.“

Ich erinnere mich, dass dieser Vers am Tag einer wichtigen Prüfung in meinem Studium Losungstext war. Und wir alle, die wir an diesem Tag antreten mussten, um unsere Kenntnisse vor der Prüfungskommission unter Beweis zu stellen, staunten am Morgen über diese Worte, die so ganz zu unserer Situation zu passen schienen.

Auch, wenn uns ganz schön mulmig war, und wir alle fürchteten, durchzufallen, machten diese Worte doch Mut. Vielleicht reicht es ja auch, vielleicht geht es gut, und wir könnten am Abend die bestandene Prüfung feiern und uns freuen, dass wir die ganze Aufregung und Angst hinter uns lassen können.

Es gibt viele Situationen im Leben von Menschen, in denen wir Trost und Ermutigung brauchen, einen Menschen, der uns Mut macht und uns den Rücken stärkt und sagt: „Sei nicht mutlos und verzagt; es geht immer weiter im Leben!“ Oder Gott, der uns auch, dann, wenn wir angeschlagen und geschwächt und ohne Kraft sind, zusagt: Ich werde das geknickte Rohr nicht zerbrechen und den glimmenden Docht nicht auslöschen.

„Darum sei getrost und unverzagt, lass dir nicht grauen und entsetze dich nicht, denn ich, der Herr, dein Gott, werde mit dir sein auf allen deinen Wegen.“ ( Josua 1, 9 )

Petra Isringhausen ist als Pfarrerin im Entsendungsdienst in der Kirchengemeinde Steinhagen tätig.