Andacht vom 02. Oktober 2016

Wort zum Erntedankfest, 02. Oktober 2016

Früher war es besser – früher war es verständlicher, warum wir Erntedank feiern! Die landwirtschaftlichen Betriebe in den 1950er Jahren sahen zumeist so aus: Sie bewirtschafteten einige Hektar Land, hatten ein paar Milchkühe, Sauen mit eigener Nachzucht oder Mastschweine. Dazu einen Bauerngarten und einige Hühner. In jedem Dorf gab es mehrere Gemischtbetriebe, die in der Lage waren, sich fast vollständig selbst zu versorgen und darüber hinaus die restlichen Dorfbewohner, die meistens auch selbst etwas Landwirtschaft hatten.

Das Leben als Landwirt bestand aus harter körperlicher Arbeit und die ganze Familie musste mithelfen, um die Felder zu bestellen, die Ernte einzufahren und die Tiere zu versorgen. Die Bauern waren dem Witterungsverlauf völlig ausgeliefert, es gab weder – wie heute – viele technische Hilfsmittel noch Absicherung durch den Import von Lebens- und Futtermitteln. Es galt, auf alte Bauernweisheiten zu vertrauen, sich auf das eigene Gespür für die Natur zu verlassen und auf das Beste zu hoffen.

Nach einer erfolgreich verlaufenen Ernte waren die Menschen glücklich und dankbar. Dankbar für genügend Nahrung für die Familie und Futter für die Tiere; erleichtert, über den nächsten Winter kommen zu können. Dafür wollten sie Gott danken und trotz ihrer Erschöpfung nach den Strapazen der Erntezeit ein großes Fest feiern, in dessen Mittelpunkt der Erntedankgottesdienst stand.

Heute ist vieles anders. Besser, angesichts der sicheren Versorgungslage in unserem Land. Aber auch entrückt vom Kontakt mit Ackerbau und Viehzucht, entfremdet von der Landwirtschaft. Dies geschah durch die großen technischen Errungenschaften und den globalen Handel. Wir haben den unmittelbaren Bezug zu den Naturabläufen verloren. Darum bedeutet heute Erntedank die Chance, wieder neu zur Bodenhaftung zu kommen, zurück zu den Wurzeln. Denn Danken ist das Gegenteil von Gedankenlosigkeit. Wer dankt, denkt an den, der ihm etwas gab. Danken heißt antworten und auch, sich verantwortlich fühlen für das, was geschenkt wurde.

von Beatrix Eulenstein, Pfarrerin mit sozial-diakonischen Aufgaben im Evangelischen Kirchenkreis Halle