Andacht vom 28. April 2019

Wort zum Sonntag Quasimodogeniti, 28. April 2019

Menschen machen

Ein paar Monaten lang habe ich einen Menschen gemacht. Er steht aufrecht. Hat eine Mütze auf dem Kopf und Noten in der Hand. Er steht da und singt. Es ist gar nicht so leicht, den Schöpfer zu spielen. Im Versmolder Kunstkreis haben wir Skulpturen für unsere Stadt gebaut – zum Jubiläum der Stadtrechte. Im vergangenen Sommer haben wir angefangen. Zuerst ein Kern aus Styropor. Ich schneide und schmirgle ihn, bis er eine menschliche Form hat. Die Beine und die Unterarme bekommen Eisenstangen wie Knochen. Dann rühre ich Beton an und streiche ihn auf die Figur. Zuerst vermischt mit Glasfasern, damit er hält. Dann trage ich weitere Schichten auf, wie eine Haut. Ich modelliere die Augen, die Finger, den Mund. Für die Noten habe ich ein echtes Heft genommen und mit Beton ummantelt. Zum Schluss kommt die Farbe.

Immer wieder denke ich an das Gebot: „Du sollst Dir kein Bildnis machen.“ Besonders dann, wenn wieder ein Stück misslungen ist. Wenn die Proportionen nicht stimmen. Oder wenn der Ausdruck stumpf ist. Es ist wirklich nicht leicht, einen Menschen zu machen. Aber das Gebot war anders gemeint. Wir sollen keine Bilder machen, um sie anzubeten. Keine Götzenbilder. Am Anfang der Bibel heißt es, dass Gott mich nach seinem Bild geschaffen hat. Dass wir Menschen ihm gleichen. Wenn das wahr ist, dann hat Gott uns auch ein schöpferisches Talent gegeben. Wie sollten wir Gott ähneln, wenn wir nicht kreativ wären?

Aber ich muss wissen, dass ich dabei nur spiele. Natürlich will ich keinen echten Menschen machen. Mir graut vor den Laboren, wo Forscherinnen und Forscher das versuchen. Wo das menschliche Erbgut manipuliert wird. Und ich verstehe auch nicht, warum es immer mehr Assistenzsysteme geben muss. Warum wir immer mehr Aufgaben an die Technik abgeben. Und uns selbst dadurch entmündigen. Das ist dann irgendwie doch ein Götze! Unschuldig bleibt das Menschenmachen nur, wenn es ein Spiel ist. Das ist die Kunst.

von Dr. Sven Keppler, Pfarrer in Vermold