Andacht zum 25. Juli 2021

Wort zum 8. Sonntag nach Trinitatis, 25. Juli 2021


Im Urlaub zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs, kehre ich gern in Dorfkirchen ein. Oft sind ja inzwischen glücklicherweise auch protestantische Gotteshäuser tagsüber geöffnet. Angenehm kühl, halbdunkel und still laden Sie, gerade jetzt im Hochsommer, zum Verschnaufen ein.
Während ich da in einer der Bänke sitze, beginnt der Blick, ausgehend vom Altarraum, umherzuschweifen. Ich nehme die Kanzel wahr, den Taufstein, das Lesepult, die Buntglasfenster, Kronleuchter, Bild- oder Schrifttafeln und – neben noch manchem anderen – hinter mir schließlich auch die immer irgendwie majestätisch wirkende Orgel. Das ganze Ambiente vermittelt mir stets so etwas wie ein Gefühl der Ehrfurcht. Denn viele Generationen haben dieses Kirchlein mit Leben erfüllt, unzählige Einzelne hier mit treuer Hingabe gewirkt: als Handwerker oder Künstler, als Pfarrer oder Küster, als Organist oder Katechet.
Ihr Glaube und ihre Hoffnung haben eindrückliche Spuren hinterlassen. Denen sind die Bewohner des Ortes gefolgt, wenn sie sich hier allsonntäglich zum Gottesdienst versammelten oder die Höhe- und Wendepunkte ihres Lebens feierten. Besäßen die Wände Augen und Ohren, was hätten sie nicht alles im Laufe der Jahrhunderte zu sehen und vor allem zu hören bekommen! Sich das vorzustellen, braucht nicht viel Phantasie; die eigene Lebenserfahrung reicht dazu im Grunde schon aus.
Ich merke, wie mir die Menschen dieser Gemeinde aus Geschichte und Gegenwart plötzlich näherkommen. Sie, von denen ich weder ein Gesicht noch einen Namen kenne, haben viel mit mir gemeinsam – und ich mit ihnen. Mir wird einmal mehr klar, was es bedeutet, wenn die Kirche von der „Gemeinschaft der Heiligen“ spricht. Sie meint die Christen vor und neben mir, die wie Perlen aufgereiht sind an der Schnur des Glaubens. Eine dieser Perlen bin auch ich. Alle miteinander bilden wir ein großes Ganzes, das mehr ist als die Summe seiner Teile.
Bevor ich das Gotteshaus wieder verlasse, zünde ich, wenn möglich, eine Kerze an: für meine Lieben daheim und alle, denen ich in Gedanken nahe bin; für die unbekannte Gemeinde, deren Gast ich für einige Minuten gewesen bin; für die „Gemeinschaft der Heiligen“, zu der ich in Zeit und Ewigkeit gehören darf.
Erholt und gestärkt setze ich meinen Weg fort. Dabei kommt mir das Psalmwort in den Sinn: „Herr, ich habe lieb die Stätte deines Hauses und den Ort, da deine Ehre wohnt.“ (26,8)

Hartmut Splitter ist Pfarrer in der Ev. Luth. Kirchengemeinde Werther