Andacht vom 21. Dezember 2014

21. Dezember 2014 - 4. Advent

Vaterfreuden

Ein Wahnsinn, diese Reise. Jetzt, in dieser kalten, regnerischen Zeit. Und sie will unbedingt mitkommen. Ein Wahnsinn! Mit ihrem schwangeren Bauch. Nach Bethlehem! Mindestens fünf Tage werden wir unterwegs sein. Eine Volkszählung! Sollen sie doch kommen und zählen. Aber nein, jeder soll in die Stadt seiner Vorfahren und sich dort zählen lassen. Möchte nicht wissen, welcher Beamte sich das an seinem feinen Marmorschreibtisch in Rom ausgedacht hat.

Was muss sich meine Familie auch so viel auf ihre Vorfahren einbilden. Zimmerleute sind wir, das weiß jeder in Nazareth. Aber wir dürfen nie vergessen, dass wir von König David abstammen… Dem König aus der Stadt Bethlehem. Das haben wir jetzt davon. Die stolze Familie, die immer auf sich hält. Und ausgerechnet ich hab’ eine schwangere Verlobte. Und bin nicht einmal der Vater.

Aber verlassen konnte ich sie auch nicht. Natürlich war das mein erster Gedanke. Ich wollte keinen Skandal. Wollte es nicht an die große Glocke hängen. Ich hätte ja sowieso nicht beweisen können, dass das Kind nicht von mir ist. Und das auch noch, nachdem sie mir von ihren Eltern anvertraut worden war. Ich sollte auf sie aufpassen. Das ist gründlich schief gegangen. Aber das Kind ist nicht von mir! Deshalb wollte ich weg.

Wenn nicht dieser seltsame Traum gewesen wäre. Noch nie hatte ich von einem Engel geträumt. Ich habe es immer noch im Ohr, wie er sagte: „Josef, du Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen; denn was sie empfangen hat, ist von dem Heiligen Geist. Und sie wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk retten von ihren Sünden.“

Darum will Maria auch unbedingt nach Bethlehem. Sie ist erfüllt davon, dass ihr Kind etwas Besonderes ist. Dass Gott viel mit ihm vorhat. Deshalb soll er in Bethlehem geboren werden. Wie König David. Das muss ich ihr lassen, meiner kleinen Maria: Wenn sie an etwas glaubt, dann zieht sie das auch durch. Dann kann sie nichts davon abbringen.

von Dr. Sven Keppler, Pfarrer in der Evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Versmold