19. Februar 2012 - Estomihi
„Selbstliebe“
„Die Menschen sind schlecht,
sie denken an sich.
Nur ich - denk an mich.“
So besingt ein Kanon etwas augenzwinkernd die Schlechtigkeit in der Welt. Und wäre es wirklich so, dass jeder nur an sich denkt, dann bliebe ich ja außen vor, alleine auf der Welt, ungeliebt. Deshalb muss ich ja für mich selbst sorgen!
Zum Glück sieht die Wirklichkeit nicht ganz so düster aus. Es gibt viele Menschen, - nicht nur in Kirche und Diakonie -, die sich auch um andere kümmern, Gutes tun, helfen. Sie tun damit das, was als die vornehmste Aufgabe im Christentum angesehen wird: Liebe üben. Und im Grunde genommen ist dies das Herzstück jeglichen menschlichen Zusammenlebens, ob nun religiös motiviert oder nicht. In der Sprache der Bibel heißt das so:
„Du sollst den Herrn, deinen Gott,
lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele,
mit all deinem Verstand und mit all deiner Kraft.
Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ (Markus 12, 30f )
Mir sind heute diese letzten drei Worte besonders wichtig: „wie dich selbst“. Verkürzt reden viele vom Gebot der Nächstenliebe. Und ganz ohne Frage: Nächstenliebe ist wichtig. Fürsorge tut Not. Aber viele gehen so ganz und gar darin auf, für andere da zu sein, dass sie gar kein eigenes Leben mehr führen können. Sie verlieren sich selbst und ihre Bedürfnisse aus den Augen und verfehlen damit auch den Sinn ihres Lebens. Ein solcher Mensch wird - bei allem guten Willen - zu einer Karikatur; ähnlich, wie es der Humorist Wilhelm Busch beschreibt:
„Wirklich, er war unentbehrlich!
Überall, wo was geschah
zu dem Wohle der Gemeinde,
er war tätig, er war da.
Schützenfest, Kasinobälle,
Pferderennen, Preisgericht,
Liedertafel, Spritzenprobe,
ohne ihn, da ging es nicht.
Ohne ihn war nichts zu machen,
keine Stunde hatt’ er frei:
Gestern, als sie ihn begruben,
war er richtig auch dabei.“
Achtsam, liebevoll auch mit sich selbst umgehen, das ist im Sinne der Bibel wesentlich. Und dann: Liebe weitergeben an andere und empfangen von anderen, - nicht zuletzt auch von Gott!
Da liegt Segen drauf.
von Lothar Becker, Pfarrer im Ruhestand, er lebt in Halle/Westfalen.