Andacht zum 28. Juni 2020

Worte zum 3. Sonntag nach Trinitatis, 27. Juni 2020

 Schuldverschiebespiel bei Tönnies – und bei uns

„Die Frau, die Du mir gabst, gab mir von der Frucht, und ich aß.“ So reagiert Adam, als Gott ihn fragt, warum er das einzige Gebot im Paradies gebrochen hat. Und Eva setzt dieses Schuldverschiebespiel fort: „Die Schlange, die du geschaffen hast, betrog mich und ich aß.“

„Rumänen und Bulgaren sind eingereist und da kommt der Virus her“, sagt Ministerpräsident Laschet. „Tönnies hat sich stets entzogen, ob es bei Gesprächen zur Entlohnung war oder zur Einführung der Arbeitszeiterfassung“, stellt NRW-Arbeitsminister Laumann fest. Und Clemens Tönnies selbst räumt große Fehler ein, ist aber trotzdem der Ansicht, dass die Datenschutzrichtlinien schuld daran seien, dass die Adressdaten von Arbeitskräften externer Dienstleister nicht zeitnah weitergegeben wurden.

Es scheint tief im Menschen verankert zu sein, dieses Schuldverschiebespiel.

Jesus sagt dazu: „Warum regst du dich über einen Splitter im Auge deines Nächsten auf, wenn du selbst einen Balken im Auge hast? … Du Heuchler! Zieh erst den Balken aus deinem eigenen Auge; dann siehst du vielleicht genug, um dich mit dem Splitter im Auge deines Freundes zu befassen.“ (Die Bibel, Matthäus 7, 3+5, Neues-Leben-Übersetzung). Oder anders gesagt: Bevor Du (mit allem Recht, das Du dazu hast) auf den andern zeigst, schau doch erstmal, ob Du nicht auch einen Anteil am Problem trägst.

Ich frage mich: Wie anfällig bin ich denn in den vergangenen zehn Jahren für die gegenseitige Unterbietung der Fleischpreise gewesen? Wie viele Sonderangebote hab' ich genutzt – das Kilo Mett für 4,44 Euro? Und habe ich mir Gedanken gemacht, wo dieses Geld eigentlich gespart wird?

Tönnies schlachtet 20 Prozent des deutschen Schweinefleischs; in der Region wird der Anteil in den Geschäften gegen 90 Prozent tendieren. Wir alle essen dieses Fleisch. Und finanzieren damit dieses Unternehmen.

Sicher, es ist schwer, Alternativen zu finden, wenn man nicht Vegetarier werden möchte. Und ja, es ist natürlich auch ein soziales Problem und lässt sich nicht einfach so lösen. Trotzdem ist es gut, die eigene Mitverantwortung zu sehen und im Kleinen zu Änderungen beizutragen.

Johannes Heicke ist Pfarrer der SELK-Bethlehemsgemeinde Rotenhagen