Andacht vom 15. Juli 2012

15. Juli 2012 – 6. Sonntag nach Trinitatis

Ein katholischer Kollege erzählte mir vor einigen Tagen eine Geschichte, um einen früheren Bischof zu charakterisieren: Diskutiert wurde im Bistum die Forderung, man müsse einen katholischen Priester an seiner Kleidung erkennen können, er solle wenigstens das Collarhemd tragen. Der Bischof soll geantwortet haben: Ja, Priester sollen erkennbar sein, aber zuerst einmal an der Freude, die sie ausstrahlen.

Eine ähnliche Fragestellung finden wir bei dem Religionskritiker Friedrich Nietzsche, der in seinem "Zarathustra" schreibt: Bessere Lieder müssten sie mir singen, dass ich an ihren Erlöser glauben lerne; erlöster müssten mir seine Jünger aussehen!

Die Berechtigung dieses Anliegens ist schon im Predigttext für den vor uns liegenden Sonntag erkennbar. Es handelt sich um die Geschichte der Taufe des ersten Heiden in der Apostelgeschichte (Kap.8, 26-39).

Das Geschehen ist schnell erzählt: Philippus, ein Missionar, wird vom Geist auf den Weg von Jerusalem nach Gaza geschickt, dort trifft er einen Eunuchen, der gleichzeitig äthiopischer Kämmerer ist, und dieser liest in der Bibel. Da sich der Eunuch unsicher ist, wer mit den Worten aus Jesaja 53 gemeint sein könnte, legt Philippus ihm die Geschichte aus, am Ende gibt es keinen Grund mehr, den Fremden nicht zu taufen. Die Geschichte endet mit der Taufe und dem schönen Satz: Und er zog seine Straße fröhlich!

Wir erfahren nichts über das, was danach geschah, ob der Kämmerer Gemeinden gegründet hat, womöglich selbst andere getauft hat, nichts. Nur diesen einen Satz: Und er zog seine Straße fröhlich!

Vielleicht haben wir das nicht immer auf dem Schirm, dass Christen fröhliche Menschen sind, befreite Menschen, die zwar das Leben ernst, sich selbst aber nicht so wichtig nehmen.

Nietzsche können wir antworten: Du hast recht mit Deiner kritischen Bemerkung, und dem Bischof können wir dankbar sein, dass er uns Amtsträger daran erinnert: Wen Gott befreit hat, der hat zuallererst Grund zur Freude. Und das können wir ruhig zeigen (nicht im Keller, wohin sich der Ostwestfale ja gerne zum Lachen zurückziehen soll…), sondern auch öffentlich sichtbar. Vielleicht klappt es ja heute, unsere Straße fröhlich zu ziehen.

von Martin Liebschwager, Pfarrer der Evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Harsewinkel.