Andacht vom 18. Januar 2015

Wort zum 2. Sonntag nach Epiphanias

Liebe Leserinnen und Leser!

Hinter uns liegt eine verstörende und bewegende Woche. Die furchtbaren Ereignisse in Paris werden uns noch lange begleiten, uns verstören und uns fragen lassen, ob die Welt wirklich aus den Fugen geraten ist. Gleichzeitig haben mich die Bilder der Millionen Menschen in aller Welt bewegt, die für die Freiheit der Meinung und das Miteinander der Religionen und Kulturen auf die Straße gegangen sind.

Diese gemeinsamen Bekenntnisse zu gemeinsamen Werten sind unerhört wichtig. Religion steht immer in der Gefahr, sich selbst zu verabsolutieren, weil es zu ihrem Wesen gehört, einen wie auch immer gearteten "Wahrheitsanspruch" zu vertreten. Und dort, wo Religion sich mit Macht verbündet, steht sie in der Versuchung, Gewalt zu gebären. Keine Religion hat sich in ihrer Geschichte mit Ruhm bekleckert. Gleichzeitig hat es immer wieder in der Geschichte der Religionen Menschen und Bewegungen gegeben, die sich der Gewaltlosigkeit und Versöhnung verschrieben haben.

Ganz offensichtlich erleben wir im Moment beides, einen Fundamentalismus, der im Namen Gottes auch muslimische Grundwerte in den Schmutz zieht, aber auch ein Sich-Besinnen vieler Religionen, auch des Islams, auf ihre friedensstiftende und versöhnende Kraft.

Paulus hat schon vor 2000 Jahren im Römerbrief geschrieben: Lass Dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem. (Römer 12,21) Christen sollten der Versuchung widerstehen, dem Hass mit Hass zu begegnen. "Euer Hass ist unser Ansporn", hat Joachim Gauck, auch dezidiert aus seinem christlichen Hintergrund, formuliert. Damit macht er uns Mut, unser Fundament zu gießen, den Weg der Gewaltlosigkeit und Versöhnung zu gehen, so wie ihn schon Paulus der Gemeinde in Rom ins Stammbuch geschrieben hat.

von Martin Liebschwager, Pfarrer der Evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Harsewinkel