Wort zum 01. Mai 2020

Ein Hoch auf die Haus-Arbeit!?

„Corona“ lehrt uns, den sprichwörtlichen grauen Alltag wertzuschätzen. Je länger, je mehr sehnen wir uns nach Normalität, also nach dem routinierten Tages- und Wochenrhythmus zurück.
„Ab Montag kann ich wieder ins Büro.“ Der das sagte, machte den Eindruck, als fiele ihm ein Stein vom Herzen. Offensichtlich ist da jemand froh und erleichtert, nach fünf Wochen verordnetem „Homeoffice“ bald wieder regulär zur Arbeit zu gehen (oder zu fahren), statt sie in den eigenen vier Wänden zu erledigen.

Die vielgepriesene Heimarbeit am Computer zeigt mittlerweile ihre Schattenseiten, zumindest denjenigen, die im Beruf mehr soziale Kontakte brauchen, als sie bei Videokonferenzen möglich sind. Anders als im Urlaub werden die Kolleg*innen, Kund*innen oder Geschäftspartner*innen jetzt plötzlich vermisst, mögen die auch sonst oft eher als nervig gegolten haben.

Freilich: Wohl dem, der in Pandemie-Zeiten von zu Hause aus arbeiten kann und nicht in Kurzarbeit (= befristete Arbeitslosigkeit in ungekündigter Stellung) geschickt wird oder – viel schlimmer noch – seinen Arbeitsplatz verliert bzw. Konkurs anmelden muss.

Jenseits von Klassenkampfrhetorik und Tarifauseinandersetzungen ist der „Tag der Arbeit“ – seit 130 Jahren begangen – heute wieder eine willkommene Gelegenheit, sich Gedanken über die Gestaltung der zukünftigen Arbeitswelt zu machen. Die nach wie vor vehement forcierte Digitalisierung hat schließlich ihren Preis, der nicht zuletzt in einer Währung namens Mit-Menschlichkeit zu entrichten ist. Und wir müssen entscheiden, wie hoch er ausfallen soll. Jedenfalls gilt die biblische Einsicht: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei“ (1. Mose 2,18) gewiss auch für die Berufsarbeit.

Die seit dem Zeitalter der Industrialisierung üblich gewordene Trennung zwischen Arbeitsstätte und Wohnung hat zu einer mehr oder weniger klaren Abgrenzung der Berufstätigkeit vom Familienleben geführt. Das hat große Vorteile (und nur vergleichsweise geringe Nachteile) für beides. Gerade als Gemeindepfarrer weiß ich darauf ein Loblied anzustimmen.

von Hartmut Splitter, Gemeindepfarrer in Werther