Andacht vom 23. September 2018

Andacht zum 17. Sonntag nach Trinitatis, 23. September 2018

Florian, 40, verbringt jeden Sommer auf einer Sennalpe in den Allgäuer Hochalpen. Auf 1.700 m Höhe versorgt er 100 Rinder, die auf den Bergweiden „sömmern“. Das ist hier nicht ungewöhnlich. Eher ungewöhnlich ist seine persönliche Lebensgeschichte. Wohl stammt er aus der Gegend und aus einer bäuerlichen Familie. Aber nach dem Abitur studierte er Gesang und lebte jahrelang in München. Beruflich war er viel in der Welt unterwegs, lebte oft „aus dem Koffer“. Doch schon, wenn er in Kempten den Zug bestieg, bekam er regelmäßig Heimweh. Irgendwann zog er dann aus der Stadt zurück in die Berge und beschloss, die Sennalpe zu bewirtschaften, auf der schon sein Vater und Großvater gearbeitet hatten. Seit Jahren zieht er im Mai mit seiner Frau, seinen drei Kindern und seinen Eltern hinauf, und erst im September kehren sie zurück ins Tal. Während der Sommermonate verbringt er die meiste Zeit draußen mit den Tieren auf den Alpweiden. Von frühmorgens um 5 Uhr bis zum Sonnenuntergang ist er beschäftigt. Auf die Frage, ob er nichts von dem vermisse, was für andere selbstverständlich zum Leben dazu gehöre, schaut er sich um und weist auf die Berge und die grandiosen Ausblicke. „Das hier ist mehr als alles, was ich sonst erlebt habe. Hier bin ich zufrieden und an dem Platz, an dem ich sein möchte, jedes Jahr wieder.“ Und was ist mit seinen Kindern ? Fühlen die sich wohl, und fehlt ihnen nichts ? Nein, sie genießen das freie Leben in den Bergen und den Kontakt mit den Tieren. „Das hier ist echt, und ich brauche kein Smartphone und kein Fernsehen. Dafür habe ich gar keine Zeit“, sagt die älteste Tochter. Abends bewacht sie die Tiere und denkt dabei gerne nach, „über das, was sich zugetragen hat und über das Leben so ganz allgemein“.
Jeden Abend vor Sonnenuntergang singt die Mutter nach alter Tradition draußen auf der Alp einen Abendsegen ins Tal. Sie dankt darin für den vergangenen Tag und bittet Gott um seinen Segen für Menschen und Tiere und um seinen Schutz.
Es ist keine „Heidi-Romantik“, im Gegenteil, das Leben auf der Alp bedeutet viel und schwere Arbeit. Aber dieses ganz andere Leben, einfach und „echt“, macht Menschen offenbar zufrieden und glücklich, so dass sie jeden Tag für ihr Leben danken möchten.

Pfarrerin Petra Isringhausen ist Frauenbeauftragte im Ev. Kirchenkreis Halle.