Wort zum 23. März 2020

Einsichten auf einem Einkaufsweg

Von Silke Beier, Pfarrerin in Werther

Die Straße ist leer. Meine Schritte hallen zwischen den Häusern. Ich betrete den Laden. Ein Absperrband zeigt mir, wo ich zu stehen habe. Die Ware wird mir in Handschuhen ohne Berührung überreicht. Zu Hause werde ich mir die Hände waschen. Als etwas trostlos empfinde ich das alles.

Mir fällt ein: „Abstand gut, alles gut!“ sagt der Volksmund. Im Moment ist nur Abstand Ausdruck der Fürsorge, sagt die Bundeskanzlerin.

Von vielem Liebgewordenen müssen wir Abstand nehmen. Fehlende menschliche Wärme durch Nähe ist belastend. Im Krankenhaus und Altenheim warten die Menschen nicht mehr auf Besuch. In der italienischen Stadt Bergamo werden die vielen Verstorbenen in Militärfahrzeugen gefüllt mit Särgen abtransportiert.  

Paradoxer Weise kommt mir der Vers aus dem Philipperbrief von Paulus in den Sinn:
„Freuet euch in dem HERRN allewege! Und abermals sage ich: Freuet euch!“ (Phil. 4,4). Passt der in diese Situation?

Trotzdem freuen – darf ich mich überhaupt freuen in dieser schwierigen Zeit? Und: Wie kann das gehen?

Ich denke an Paul-Gerhardts Lied: „Geh aus mein Herz und suche Freud...“ In einer Zeit als die Menschen vom 30jährigen Krieg, Hungersnot und Pest gezeichnet waren, hat er es geschrieben. Auf einmal sehe ich die blühenden Krokusse und Narzissen im Vorgarten und das Paar mit den Rollatoren, die einfach mal raus mussten. Wir wechseln ein paar Worte aus Sicherheitsabstand, machen uns aufmerksam auf die schöne Natur. Da habe ich Freude gefunden und die beiden augenscheinlich auch.

Ich gehe wieder rein. Ich summe Paul Gerhardts Lied vor mich hin. Diesmal nehme ich es mir zu Herzen mit anderen Text: „Bleib drin mein Herz und suche Freud...“

Amen