Andacht zum 20. August 2023

Demut und andere Fremdwörter

Immer mehr Fremdwörter finden Eingang in die Alltagssprache. Es gibt Wörter, die vor 50 Jahren kaum jemand verstand, die heute aber kaum noch als Fremdwörter wahrgenommen werden: „Shitstorm“, „CO2 Bilanz“ oder „reset“.  

Und dann gibt es Wörter, die seit Jahrhunderten in unserem Sprachraum zu Hause sind und die dennoch auf gutem Wege sind, zu Fremdwörtern zu werden. Sie sind nicht fremd, weil sie aus anderen Sprachen stammen, sondern weil sie im Alltag nicht mehr begegnen. Das Wort Demut gehört dazu. Es ist fremd geworden.

Nun könnte man sagen: „So ist das eben. Sprache ist lebendig, sie entwickelt sich, manches kommt dazu, anderes verabschiedet sich.“ Zweifellos ist das richtig. An einem Wort als solchem hängt es nicht. Was aber, wenn die Sache, die dahinter steht, verloren geht? Was also, wenn wir in unserem Miteinander kaum noch wissen, was „Demut“ bedeutet? Geht etwas  verloren?

Das Wort „Demut“ hat in seiner Geschichte schon einmal einen grundlegenden Bedeutungswandel erfahren. Hatte es in der griechischen Lebenswelt zunächst den negativen Beiklang von „niedrig und gering“, so hat dieses Wort durch Christen einen neuen Klang erhalten. Weil Jesus selbst den Weg in die Niedrigkeit ging und seinen Auftrag geradezu darin gesehen hat, anderen Menschen zu dienen, hat die Demut eine positive Bedeutung erhalten. Gott verbürgt die Würde jedes Menschen und diese wird nicht durch eigene Heldentaten hergestellt. Die Liebe Gottes lässt die Welt in neuem Licht erscheinen. Ich breche mir keinen Zacken aus der Krone, wenn ich nicht nur „oben“ unterwegs bin.

Jede Gemeinschaft braucht den Geist der Demut in ihrer Mitte. Menschen bringen etwas Großes in eine Gemeinschaft ein, wenn sie es sich trauen, sich für andere kleinzumachen. Mit dem Wort „Demut“ in der deutschen Sprache ist es das eine, den Verlust von „Demut“ in einer Gemeinschaft möchte ich uns nicht wünschen. Im Bibelwort für die neue Woche heißt es: „Gott schenkt den Demütigen Gnade.“ An manchen Fremdwörtern kann man viel entdecken.

Holger Hanke ist Gemeindepfarrer in Werther