Wort zum Sonntag Lätare, 11. März 2018
Vor einiger Zeit las ich eine eMail, die mich sehr nachdenklich machte. Ein etwa 50-Jähriger besucht einen gleichaltrigen Freund im Krankenhaus, der einen Schlaganfall erlitten hat und sein Leben plötzlich mit ganz anderen Augen sieht:„Ein bisschen nervös bin ich schon, als ich das Krankenhaus betrete. Ich frage mich bange, was für eine Situation ich vorfinden werde. Ich besuche einen Freund, wir haben eine Zeit lang zusammen studiert. Er ist ein vielbeschäftigter Anwalt – aber nun ist alles anders. Vor zehn Wochen ist er plötzlich einfach umgefallen – Schlaganfall. Wochenlang haben die Ärzte um sein Leben gekämpft – nun ist sein Zustand stabil, aber der Schlaganfall hat Schäden hinterlassen. Als ich das Krankenzimmer in Erwartung von Apparaten und Monitoren betrete, bin ich überrascht – denn es sind keine Maschinen da. Dafür strahlt mich mein Freund aus seinem Krankenbett an. Er lacht und gestikuliert! Reden kann er nicht – er hat eine Röhre im Hals. Schlucken auch nicht. Die rechte Körperseite ist nicht unter Kontrolle. Aber er strahlt! Er freut sich, er drückt meine Hand – mit links! Ich suche nach Worten, bin aber nicht sonderlich erfolgreich. Mein Freund deutet zu Block und Stift auf dem Nachttisch. Er schreibt mühsam mit der linken Hand Worte, während ich den Block halte. ‚BIN FAST GESTORBEN! MEIN LEBEN NUMMER 2!‘ Eben noch gehetzt von Termin zu Termin – und jetzt schleichen die Minuten langsam und bedächtig dahin. Eben noch mitten im Leben – und jetzt? LEBEN NUMMER 2... Ganz anders als gedacht, aber dankbar. Weil das Leben ein Geschenk ist. Weil er noch leben darf. Was mir oft so alltäglich und verfügbar erscheint, verliert in diesem Krankenzimmer jede Selbstverständlichkeit. Und es wird kostbar, weil es so zerbrechlich ist, weil es begrenzt ist, weil es jederzeit ganz anders sein könnte.“Eine Frage geht mir seit dieser Mail durch den Kopf: Brauchen wir eigentlich immer erst den Crash, um LEBEN NUMMER 2 zu ergreifen? Können wir es nicht auf andere Weise lernen, dass das Leben kostbar ist und jeder Moment ein Geschenk Gottes? Lernen wir nur auf diese Weise? Das kann doch nicht sein, oder? Ich persönlich finde dankbares und erfülltes Leben bei Jesus, Leben mit tiefer Freude und Sinn. Jesus sagt: „Ich bin gekommen, damit sie ein Leben in Fülle haben!“ (Joh. 10, 10) – LEBEN NUMMER 2. Ist es eine Idee, nochmal einen neuen Schritt auf diesen Jesus zuzumachen?
Bernd Eimterbäumer ist Pfarrer in der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Halle