Wort zum 15. April 2020

Eine Ostererzählung ist mir zu diesem Osterfest wichtig geworden. Es handelt sich um die Begegnung des Jüngers Thomas mit dem auferstandenen Jesus. Die Karfreitagskrise, die die Jünger nach dem Tod Jesu in Schockstarre und Orientierungslosigkeit versetzt hat, bewältigt Thomas auf seine Weise. Das Leben muss ja weiter gehen. Als der Auferstandene den Jüngern begegnet, ist Thomas nicht unter ihnen. Und auch die enthusiastischen Berichte der ersten Zeugen überzeugen Thomas nicht. Auferstehung, no go. Nur wenn er den Auferstandene sehen und auch die Wunden der Kreuzigung, die Symbole der Krise sehen und berühren kann, würde Thomas glauben.

Als Kind wurde mir der zweifelnde Jünger als der „ungläubige Thomas“ vorgestellt. Mit der Zeit habe ich Thomas gesehen als den vermeintlichen Realisten und Pragmatiker, der nach der Kreuzigung Jesu nach handfesten Konzepten sucht, um aus der Krise herauszufinden und zu einem orientierten Leben zurückzufinden. Auferstehung ist da für ihn nur ein hinderliches Hirngespinst.

Jesus gibt sich Thomas zu erkennen und führt ihn aus der Krise heraus. Thomas darf sehen, fühlen und sich führen lassen. Er darf erfahren, dass Jesus der einzige Weg aus der Krise ist.

Aber noch etwas gibt Jesus zu bedenken, für Thomas und uns alle. Thomas dufte sehen und kam auf dem Glaubensweg aus der Krise heraus. „Aber selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“ So ermahnt der Auferstandene Thomas und uns. Wir haben Ostern gefeiert ohne zu sehen, in diesem Jahr nicht einmal in unseren Kirchen. Doch was Thomas mitnimmt, ist auch unsere Ostergabe, die Gott uns jedes Jahr schenkt. Karfreitag kann uns nicht beherrschen. Der Tod hat seine Macht verloren. Gott, der seinen Sohn Jesus Christus auferweckt hat vom Tod, lädt uns ein, unser Leben in all seinen Krisen in der Hoffnung und im Glauben auf den zu führen, der für uns die schlimmste Krise überwunden hat.

Wir leben in diesen Wochen in einer Krise, die unser Leben bestimmt und unsere Gemeinschaft empfindlich stört. Doch wir wollen sie durchleben im Glauben an den, uns ins ewige Leben vorangegangen ist. Wo der Tod durchbrochen ist, kann keine Krise uns in die Knie zwingen.

Von Rüdiger Schwulst, Pfarrer für Religionsunterricht an den Schulen des CJD in Versmold