30. Oktober 2011 - 19. Sonntag nach Trinitatis
Felix flitzt davon. Dieses Wettrennen mit Anna, das wird er locker gewinnen. Aber plötzlich rutscht er weg und knallt auf das Pflaster. Und er brüllt aus Leibeskräften.
Aua, das tut weh! Er blutet, und wie! Da weint er noch lauter. Sofort ist eine hilfsbereite Frau zur Stelle, beugt sich über ihn und spricht ihn an. Als Felix sie sieht, dreht er das Gesicht weg und weint noch lauter. Auch Anna versucht ihr Bestes, aber Felix ist untröstlich. Zu groß ist der Schmerz! Dann endlich ist sein Vater bei ihm. Er geht in die Hocke, nimmt ihn in die Arme, schaut das blutende Knie und die Hautabschürfungen an den Armen an, spricht tröstend und ermutigend mit ihm. Felix flüchtet sich in seine Arme, in seine Wärme und seine vertraute Stimme. Nahezu augenblicklich verwandelt sich das laute Weinen in ein Wimmern, um dann bald ganz zu verstummen.
Es sind wohl kaum der nachlassende Schmerz oder der überstandene Schreck, die Felix trösten. Nein, es ist sein Vater, dem er vertraut, der ihm hilft durch seine bloße Gegenwart.
Sehr ähnliche Erfahrungen mache ich, wenn ich kranke Menschen besuche. Da gibt es die, die eine Operation vor sich haben; die, die sich von einer erholen; da gibt es Menschen, die eine schlimme Diagnose verkraften müssen, und auch welche, die wissen, dass sie nicht mehr gesund werden.
Und ich weiß: Ich kann sie nicht gesund machen. Aber vielleicht – das ist meine Hoffnung – kann ich Trost spenden und Zuwendung schenken!
Und ich erlebe ich immer wieder, dass Menschen sich trösten lassen, neuen Mut fassen und vertrauensvoll nach vorne blicken, auch, wenn kein Wunder geschieht...
"Heile du mich, Herr, so werde ich heil,
hilf du mir, so ist mir geholfen." (Jeremia 17,14)
Mit diesem Worten wendet sich Prophet Jeremia in großer Anfechtung an Gott.
Ein kurzes Gebet, das deutlich macht, was zum Heilwerden hilft:
Das Du und das Ich, die beiden zusammen. Und das Vertrauen des einen zum andern - darauf kommt alles an!
Wir können die Welt nicht gesund machen. Aber wir können verhindern, dass Menschen untröstlich bleiben, indem wir uns einander zuwenden, füreinander da sind und uns Zeit schenken. So entsteht Vertrauen, und nur wer vertraut, der öffnet sich und lässt sich trösten.
Jeremia hat Vertrauenserfahrungen mit Gott gemacht, deshalb wendet er sich an ihn. Gott hat ihn noch nie im Stich gelassen, der ist immer und überall an seiner Seite, er tröstet den Untröstlichen – so wie ein guter Vater.
Karin Hanke ist Pfarrerin der Ev-luth. Kirchengemeinde Halle.