Andacht vom 10. Dezember 2017

Wort zum 2. Adventssonntag, 10. Dezember 2017

Leere aushalten Eine außergewöhnliche Schale hatte ich geschenkt bekommen: handgetöpfert, aus vielen kleinen Rosetten geformt, innen rot lackiert, ein Unikat, etwas Besonderes. Seit Tagen steht sie auf meinem Tisch – sie passt zur Weihnachtszeit, finde ich. Wunderschön, wie sie da so steht, offen und leer. Was könnte ich da alles rein tun? Tannenzweige mit einer goldenen Kugel drauf. Oder in die Mitte eine Kerze? Oder trockene Blätter mit Duftöl? Oder einfach Weihnachtsgebäck? Ich kann mich einfach nicht entscheiden. Also frage ich meinen Mann. „Was würde dir besser gefallen: Zweige, Kugel oder Kerze?" –Schweigen - „Nun sag schon." - „ Wieso rein tun?" fragt er. - „Na, das geht doch nicht so. So leer. Da muss doch was rein." - „Wieso was rein?" Typisch Mann, denke ich und beschließe, eine Freundin zu fragen. Aber er bleibt sperrig, hakt nach. „Wieso was rein tun?" „Na das sieht noch nach nix aus. Nur so ´ne Schale. Alle schmücken jetzt ihre Wohnungen und in den Läden überall Weihnachtsdeko - ok, manches ist schon hart an der Kitschgrenze. Aber eine leere Schale. Das geht doch gar  nicht. Das macht mich ganz nervös." „Aha. Nervös. Interessant." Der Mann macht mich wahnsinnig, denke ich und wechsle das Thema. „Moment mal, unterbricht er mich. „Lauf doch nicht gleich davon. Ich meine es ernst. Leere macht dich nervös? Würde ich mal drüber nachdenken." - „Wieso?" - „Naja, könnte ja sein, dass dir das nicht nur bei der Schale so geht." Jetzt verstehe ich gar nichts mehr. Aber er ist jetzt hellwach. „Schlag mal deinen Terminkalender auf. Ist da Leere? Nein. Weil Leere dich nervös macht. Und wie ist das mit dem nächsten Sonntag? Hast du noch nichts geplant. Aber doch schon tausend Ideen, was man alles machen könnte. Weil Leere dich nervös macht. Aber Advent feiern wollen. Und aufs Christkind warten.“Langsam ahne ich, was er meint. „Schau mal, meint er. Geht's dir nicht in vielem so wie mit der Schale? Du hast dein Leben vollgestopft bis oben hin mit Treffen, Terminen und Projekten. Aber wie soll Gott dir was schenken, wenn deine Schale bis zum Rand oben voll ist? Wo soll er hin mit seinem Geschenk für dich? Mit einem lieben Wort, mit einem himmlischen Fingerzeig? Mach deine Schale leer. Werde halt in Gottes Namen ein bisschen nervös. Erst mal. Und dann schau dich um, rieche, atme. Sei einfach da. Und lass dich beschenken.“ Also bleibt die Schale leer. Auch wenn ich insgeheim die Befürchtung hege, dass sie sich im Laufe der Zeit mit allerlei Krimskrams füllen wird, wie kleine Münzen  oder Schrauben oder Nägel, nämlich aus den Hosentaschen meines Mannes. 


Pfarrerin Claudia Bergfeld unterrichtet Evangelische Religionslehre am Berufskolleg Halle.