Wort zum Karsamstag, 11. April 2020

Zwischenzeit

Karsamstag: Tag der Grabesruhe des tags zuvor gekreuzigten Jesus. Es herrschte Totenstille, ein totaler Shutdown sozusagen. Nicht nur das öffentliche Leben, sondern das Leben überhaupt kam zum Erliegen. Noch nicht einmal Gottesdienste wurden mehr gefeiert. Stattdessen war, zumindest in den Klöstern, absolutes Schweigen, radikales Kontaktverbot und strengstes Fasten angesagt.

Dieser altchristliche Brauch wurde schon seit dem Hochmittelalter durch die schrittweise Vorverlegung der Osterfeierlichkeiten nicht mehr konsequent durchgehalten. Der Karsamstag wurde auf diese Weise unter der Hand allmählich zum „Ostersamstag“. Leben im Leerlauf ist eben keines. Deshalb wehrt sich ja alles in uns gegen den verordneten Stillstand – und der ist gegenwärtig doch nicht weniger als eine Lebensversicherung!

Das klingt paradox, und das ist es auch, fast so paradox wie die Osterbotschaft selber, die uns Leben aus dem Tod und Erfüllung im Zeichen des Kreuzes verkündigt. Nun liegt aber eine ebenso tiefe wie tröstliche Weisheit darin, dass die frühe Kirche zwischen ihre Bekenntnissätze über Jesu Tod und Auferstehung eine merkwürdige Aussage eingeschoben hat: „hinabgestiegen in das Reich des Todes“.

Während die Welt in eine Totenstarre verfällt, gesellt sich also der gestorbene Jesus in der „Unterwelt“ zu den Toten. So werden zunächst die, welche abgeschnitten sind vom Leben, durch den österlichen Glanz berührt, angesteckt und verwandelt. Ihnen wird buchstäblich die „Finsternis“ zum „Licht“ (so Psalm 139,12) und damit zum Wendepunkt für einen neuen Morgen, der keinen Abend mehr kennt.

Danach erst, „am ersten Tag der Woche, sehr früh“ (Markus 16,2), werden es auch wir noch Lebenden erfahren:  Die Mitte der Nacht ist der Anfang des Tages,
 die Mitte der Angst ist der Anfang der Kraft.     (J. Zink)

Aber bis dahin müssen wir uns wohl gedulden!

Von Hartmut Splitter, Pfarrer in Werther