Andacht vom 22. April 2012

22. April 2012 - Misericordia Domini

„Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln“

Wenn ich diese Worte aus Psalm 23 lese, muss ich an einen Tag denken, an dem ich zu einer Sterbenden gerufen wurde. Ich kannte die Frau gut. Erinnerungen stiegen in mir hoch an Geburtstagsfeiern zusammen mit ihren Angehörigen und Nachbarn. Wir saßen im Wohnzimmer. Es wurde viel erzählt, gegessen und gesungen. Eine Andacht gehörte ebenso selbstverständlich zu ihrem Geburtstag wie die Gäste und ein gedeckter Tisch. 

Als ich bei der Sterbenden eintraf, waren die Angehörigen und Nachbarn im Schlafzimmer versammelt. Es war still im Raum. Sie lag im Bett – regungslos, die Augen geschlossen, als ob sie nichts mehr wahrnehme. Als ich den Psalm 23 las, geschah etwas Unerwartetes. Die Sterbende betete den Psalm leise mit. „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln … Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück …Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Haus des HERRN immerdar.“ Durch ihr Mitsprechen wurde die Andacht zu einem ganz besonderen Erlebnis für uns alle. Wir spürten, wie viel Ruhe, Trost und Kraft der Glaube an Gott und Jesus Christus der Sterbenden schenkte.  

Wenn ich den Psalm 23 lese, muss ich an Menschen denken, die von sich nicht oder nicht mehr sagen können „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln“. Schlimme Erfahrungen im eigenen Leben oder die Kriege, die Ungerechtigkeit, die Not und das Elend in der Welt hindern sie daran.

Ja, an Gott als den guten Hirten glauben zu können, ist und bleibt ein Geschenk. Dieses Gottesgeschenk wünsche ich Ihnen und mir und damit Dankbarkeit, Ruhe, Hoffnung und Kraft. 

von Heinz-Jürgen Luckau, Pfarrer im Ruhestand