Andacht zum 21. Juni 2020

Wort zum Sonntag – 2. Sonntag nach Trinitatis, 21. Juni 2020

„Nicht schon wieder Corona!“ Wer morgens die Zeitung aufschlägt, stöhnt manchmal auf. Seit März beherrscht die Covid-19-Pandemie die Schlagzeilen. Und auch in den Nachrichtensendungen, Youtube-Kanälen und Sonntagspredigten dreht sich scheinbar alles um das Virus. Das wird manch einem inzwischen zu viel. Wir Menschen ertragen es kaum, wenn sich nichts verändert. Und besonders dann, wenn es fortwährend um Gefahr und Leiden geht, wehren wir uns irgendwann unwillkürlich dagegen – und stöhnen auf: „Nicht schon wieder...“

Doch auf den Seufzer folgt die Reue: „Darf ich das so abtun? Für viele geht es doch um Leben und Tod. Ist das nicht herzlos, so zu seufzen und weiterzublättern?“ Ich kann die Zeitung weglegen und die Nachrichten ausschalten – Corona lässt mich dennoch nicht los.

Die Corona-Krise zeigt uns, woran es bei uns Menschen krankt. Das Virus können wir zwar mit unserer Medizin und unseren Schutzmaßnahmen eindämmen. Wer aber dämmt unsere Selbstliebe ein? So dass sie sich nicht zur Selbstsucht auswächst? Und wenn sie dann doch als Selbstsucht emporschießt, wenn ich wieder einmal laut aufgestöhnt und mein Mitgefühl wie eine Zeitung in die Ecke geworfen habe? Wer hilft mir da heraus?

Einer, der mich annimmt. Einer, der mich nicht abwehrt und nicht aufgibt. Der vielmehr mit mir fühlt. Der Prophet Jesaja kennt solch einen Menschen: Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. (Jesaja 53,4) Die Christenheit hat darin Jesus Christus erkannt: Gottes Sohn weicht dem Leiden nicht aus. Er stellt sich ihm. Er erträgt es, obwohl es gar nicht seines ist. Der Sohn Gottes identifiziert sich mit uns Menschen. Er nimmt auf sich, was uns schwer und schwerer drückt.

Gott identifiziert sich mit uns. Er zeigt jedem Menschen: „Ja, du sollst mitfühlen mit den Schwachen – aber du selbst hast auch ein Anrecht auf Mitgefühl, wenn du schwach bist.“ So trägt Gottes Sohn unsere Krankheit und unsere Schmerzen. Und die ihm folgen, machen es ihm nach. Immer wieder.

Pfarrer Dr. André Heinrich ist Pfarrer in der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Brockhagen