Wort zum Ewigkeitssonntag, 22. November 2020
Step by Step.
Nur ganz langsam konnte die Trauer sich in Trost verwandeln. Im Blick auf die Trauerwege, die ich selbst erlebt habe und die ich begleiten durfte, habe ich die Erfahrung gemacht, wie unterschiedlich und wie individuell das Trauern empfunden und gelebt wird. So einmalig wir Menschen sind, und so einmalig das ist, was uns mit unseren Verstorbenen verbindet, so einmalig sind auch unsere Trauerwege. Dass Trauern ein Weg ist und nicht ein unveränderbarer Zustand, das habe ich ganz theoretisch in der Seelsorgeausbildung gelernt. Es gibt verschiedene Ansätze, die versuchen, den Weg des Trauerns zu beschreiben. So z.B. das Trauerphasenmodell der Psychologin Verena Kast. Sie spricht von vier Phasen der Trauer. Es gibt eine Phase des „Nicht-Wahrhaben-Wollens“, der Verzweiflung und der heftigen Gefühle, in der es gut ist, einen Menschen an der Seite zu haben, der einfach da ist und diese Phase mit aushält. In einer weiteren Phase der „Aufbrechenden Emotionen“ kommen Schmerz, Traurigkeit, Angst – auch ganz widersprüchliche Gefühle zum Vorschein. Und in diesen Zeiten ist es gut, die Gefühle zu akzeptieren, ohne sie sich selbst auszureden. In einer dritten Phase „Suchen und sich Trennen“ führt die Sehnsucht nach dem/der Verstorbenen zu einer Suche nach dem, was man zusammen geteilt hat. Hier jemanden zu haben, der geduldig zuhört – auch zum wiederholten Male – ist in dieser Phase von großer Bedeutung. In einer vierten Phase „Neuer Selbst- und Weltbezug“ lässt der Schmerz nach und Frieden kann wieder ins Herz einziehen. Zu beachten ist, dass diese Modelle niemals eins zu eins wie in der Theorie passieren und auch nicht als Schablone gedacht werden dürfen. Mir haben diese Ansätze im eigenen Trauern geholfen, mich zu verstehen und auch zu akzeptieren, was die eigene Traurigkeit in mir ausgelöst hat. Schritt für Schritt aus der Trauer heraus – hin zum Trost – das schaffe ich nicht alleine. An Ewigkeitssonntag erinnern wir uns in Gemeinschaft in den Gottesdiensten an die Menschen, die verstorben sind. Und wir erinnern auch an den, der uns mit seinen guten Mächten wunderbar geborgen hält – auf den Trauerwegen – in unserem Leben – im Sterben und auch darüber hinaus. Trauerwege sind niemals einfach, nie zu verharmlosen. Für unsere Trauerwege wünsche ich uns Kraft, Schritte zu gehen und nicht stehen zu bleiben. Der, der sagt: „Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getrösten werden.“ gibt Trostkraft, geht mit und leitet uns auf Wegen mit Ewigkeitsperspektive.
Step by Step.
Tim Henselmeyer ist Pfarrer in der Ev.-Luth. Kirchengemeinde Halle