Andacht zum 25. Oktober 2020

Wort zum 20. Sonntag nach Trinitatis, 25. Oktober 2020

gleichzeitig

Wenn in der Farbenwelt schwarz und weiß aufeinander treffen, so wird grau daraus. Treffen gelb und blau zusammen, so entsteht grün. Mit unserer Erfahrungswelt sieht das grundlegend anders daraus. Manchmal halten wir die Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Erfahrungen kaum aus. Ist da ein Bekannter, mit dem wir bislang immer gut ausgekommen sind, so kann das Gute nach einer Enttäuschung leicht in Vergessenheit geraten. „Der war schon immer so!“ Wohl dem, der dann von anderen erinnert wird: „Jetzt tust du dem aber Unrecht!“ Oft wird uns zugemutet, das Gegensätzliche gleichzeitig auszuhalten.

Corona ist ein Virus, das unsichtbar gegenwärtig ist. Die Zahlen steigen rasant. Verständlicherweise macht das Angst und mahnt zur Vorsicht. Aber wer frühmorgens auf eine Sieklandschaft schaut, in der der Nebel über den Wiesen liegt, den überkommt das Gefühl einer heilen und ungestörten Welt. 

„Na, wie war`s?“, fragt der Ehemann seine Frau, als diese vom Walken im Teutoburger Wald nach Hause kommt. Und aus schwarz und weiß ist kein grau geworden. „Es war wunderschön, als die Sonne durch das Herbstlaub schien – aber die abgestorbenen Fichten, das wirkt schon bedrohlich.“ 

Im Leben stehen die gegensätzlichen Erfahrungen immer wieder dicht nebeneinander.  Der christliche Glaube hat geradezu sein Wesen darin, Erfahrungen zunächst einmal stehenzulassen – und ihnen dann etwas entgegenzusetzen, ohne sie gleich aufzulösen. So schreibt der Apostel Paulus einmal: er sei traurig, „aber allezeit fröhlich“; er sei arm, und „mache doch viele reich“; er habe nichts, und „habe doch alles“ (2. Kor. 6,10). 

Das Gleichzeitige gilt es nicht nur auszuhalten. Der Glaube nimmt die schweren Erfahrungen ganz ernst – und setzt ihnen gleichzeitig das Evangelium entgegen.

Holger Hanke ist Pfarrer in der Ev.-Luth. Kirchengemeinde Werther