09. Oktober 2011 - 16. Sonntag nach Trinitatis
Partnerschaft durch Ungleichheit?
Partner begegnen sich auf Augenhöhe; denn Gleichberechtigung und Selbstbestimmung sichern ihre gegenseitige Unabhängigkeit. So weit, so gut. Nur bleibt die Wirklichkeit hier allzu oft hinter dem hehren Anspruch zurück. Selten sind ja Partner tatsächlich gleich stark. In der Regel besteht zwischen ihnen deshalb eben doch ein mehr oder weniger deutliches Machtgefälle. Trotzdem ist natürlich jeder Versuch, zwischenmenschliche Beziehungen auf den Gedanken prinzipieller Ebenbürtigkeit zu gründen, unbedingt zu begrüßen.
Dass Menschen bei aller Verschiedenheit vor Gott gleich sind, bildet eine tief in der Bibel verwurzelte Glaubensüberzeugung. Sie wurde im christlich geprägten Abendland zwar durch die soziale Realität weitgehend verdeckt, schuf sich aber dennoch immer wieder, beispielsweise in Bruderschaften und Klostergemeinschaften, konkrete Ausdrucksformen. Aktuell spielt das Partnerschaftsmodell in der ökumenischen Bewegung eine Schlüsselrolle. Die europäischen „Mutterkirchen“ haben nämlich inzwischen erkannt und erkennen an, dass ihre ehedem durch Mission und Auswanderung in Übersee entstandenen „Tochterkirchen“ längst „erwachsen“ geworden sind und von ihnen als ihresgleichen behandelt werden wollen. Folglich verbieten sich Einflussnahmen auf deren innere Angelegenheiten als mit ihrer Eigenständigkeit unvereinbare Bevormundung.
Soweit die Theorie. In der Praxis jedoch bereiten die ganz anderen Lebensbedingungen der Christen hier und dort einem echten partnerschaftlichen Verhältnis nicht geringe Schwierigkeiten. Allein schon für die Aufrechterhaltung, geschweige denn für den Ausbau ihrer Arbeit bleiben viele der so genannten jungen Kirchen auf ausländische Unterstützung dringend angewiesen.
Das trifft auch für die Evangelische Kirche am La Plata zu. Mit deren Kirchenkreis Misiones, im Nordosten Argentiniens gelegen, ist der Evangelische Kirchenkreis Halle 1993 eine offizielle Partnerschaft eingegangen. Gestalt gewinnt sie seither vor allem vermittels persönlicher Kontakte, die durch gegenseitige Besuche und (landeskirchliche) Austauschprogramme geknüpft und vertieft werden. Erst im Juni war eine Delegation aus dem südamerikanischen Land beim Kreiskirchentag zu Gast, und in der Kirchengemeinde Werther verbringt zur Zeit eine junge Argentinierin ihr freiwilliges diakonisches Jahr.
Solche Begegnungen zeigen, dass partnerschaftliches Geben und Empfangen selbst dort möglich und für beide Seiten ein unschätzbarer Gewinn ist, wo die materiellen Voraussetzungen sich überhaupt nicht miteinander vergleichen lassen. Gerade dies möchten die Gemeinden im Evangelischen Kirchenkreis Halle am (kommenden bzw. übernächsten) Sonntag feiern: mit einem Partnerschaftsgottesdienst. Herzliche Einladung dazu!
Pfarrer Hartmut Splitter
Hartmut Splitter ist Pfarrer in der evangelischen Kirchengemeinde in Werther.