Andacht zum 16. August 2020

Wort zum 10. Sonntag nach Trinitatis, 16. August 2020

Wo ist Gott?

Wenn Sie Kinder fragen: „ Wo ist Gott?“, dann könnte die Antwort lauten: „Im Himmel!“ Das Gerücht hält sich auch bei Erwachsenen. Viele sprechen, wenn es um Gott geht, vom „dem da oben“. Positiv: „ Irgendwie glaube ich ja an den da oben.“ Oder kritisch: „ An den da oben glaube ich nicht mehr. Sonst wäre mir das alles nicht passiert!“

Allerdings: Muss man sich wundern, wenn es einem, der nur „da oben“ ist, entgeht, was den Menschen „da unten“ passiert? Menschen, die eine lebensbedrohliche Krankheit überlebt ha-ben, sagen manchmal:„ Der da oben wollte mich noch nicht!“ – „Da oben“, das ist also erst nach dem Tod, und das Leben ist dann der Bereich, wo Gott nicht ist. Oder zugespitzt: Wo Gott bitte schön nicht sein soll. „ Der da oben wollte mich noch nicht!“ Aber: will ich denn „den da oben“ ernsthaft „ bei mir unten“ haben?

„Der da oben“ –  Der erste Raumfahrer, Juri Gagarin, hat erklärt, er habe „da oben“ nieman-den angetroffen. Also ist Gott nirgendwo? Fragen Sie mal einen Fisch, wo denn das Wasser ist. Er wird Ihnen antworten: „ Wasser? Was ist das? Nie gehört, nie gesehen, was soll das sein?“ Wie soll er denn auch wissen: Es ist das Wasser, das ihn umgibt, das ihn trägt, das ihn umströmt und durchströmt. Das Wasser, es ist sein ureigenes Element. Das zu erkennen, dazu braucht der Fisch die Kontrast-Erfahrung, nämlich als Fisch auf dem Trockenen zu sitzen. Dann wüsste er, was Wasser wirklich für ihn ist.

Einzelnen Menschen geht es ähnlich. Sie beginnen etwas von Gott zu begreifen, wenn sie buchstäblich „auf dem Trockenen sitzen“, wenn sie keinen Ausweg mehr sehen, am Ende sind, dann fragen sie nach Gott. Wo ist Gott? Der Prophet Jesaja gibt dazu folgende Hinweise: „So spricht der Hohe und Erhabene: Ich wohne in der Höhe und im Heiligtum – und bei denen, die zerschlagenen und gebeugten Geistes sind, auf dass ich aufleben lasse den Geist der Gebeugten und das Herz der Zerschlagenen. Ich will sie heilen.“ ( Jes. 57, 15-16 ) 

Wo ist Gott? „ Ich wohne in der Höhe“ – Also tatsächlich „der da oben“. Der, der meinen Horizont sprengt. „…..und im Heiligtum“ – Damit ist der Tempel in Jerusalem gemeint. Passt Gott in eine Kirche, an einem ihm geweihten, gewidmeten Ort? Zu allen Zeiten haben Men-schen Gott (auch) hier gesucht – und gefunden. Gott ist offensichtlich dort, wo wir ihn suchen mit ganzem Herzen, mit Leib und Seele. Gott ist bei den Geschundenen und Gebeugten und will sie heilen, weiß der Prophet Jesaja. Das heißt: Gott ist ganz unten, also gar nicht „der da oben“, sondern der, der bei uns, mit uns, unter uns ist. In Jesus Christus ist er uns Menschen spürbar nahe gekommen und will heil machen, was in uns zerbrochen und gebeugt ist. Nicht unbedingt greifbar und sichtbar, aber spürbar in seinem Wort, in der Zuwendung eines Menschen, an einem besonderen Ort. Vielleicht kann ich besonders in dieser `gebeutelten`, angstbesetzten Zeit dafür sensibel werden: Wo ist Gott? An meiner Seite, ohne Distanz, er ist da, wenn ich ihn suche.

von Pfarrerin Claudia Bergfeld, sie unterrichtet am Berufskolleg Halle.