Andacht zum 22. August 2021

Wort zum 12. Sonntag nach Trinitatis, 22. August 202

In den Sommerferien habe ich einen Teil des Urlaubs in Armenien verbracht. In Yerevan stehen versetzt Straßenhändler und bieten Kinderspielzeuge an. Ein Straßenhändler ließ eine Puppe, die einen bewaffneten Kämpfer darstellte, über das Pflaster robben. Er bewegte sich auf dem Bauch, stoppte, schoss mit einer Schnellfeuerwaffe, robbte weiter, stoppte, und so weiter. Viele Passanten fanden das lustig. Ich habe mir nur vorgestellt, dass ernsthaft Eltern dieses Spielzeug, das offene Gewalt darstellt, ihrem Kind kaufen, dass das Kind dann zuhause neben der Figur her robbt und die Schießerei nachspielt.

Umso mehr entsetzt mich diese Vorstellung, wenn ich daran denke, dass erst im vergangenen Jahr das kleine Land Armenien durch gezielte Terrorattacken des Nachbarn Aserbaidschan in einen Krieg verwickelt wurde, in dem viele junge Menschen ums Leben gekommen sind.

Gewalt vermarktet sich gut. Das ist nichts Neues. Und das zeigt die Verbreitung perversester Gewaltvorstellungen bildlich und fast real in ganzen Fluten von Videospielen.

Kinder vor Gewalt zu schützen bedeutet auch, sie vor den Phantasien zu schützen, die in ihren Köpfen die Bereitschaft auslösen, selber zu Gewalttätern zu werden. Das lehrt uns unsere Vergangenheit zur Zeit des Nationalsozialismus, in der Kinder in Kinder- und Jugendorganisationen zu gewissenlosen "Herrenmenschen" erzogen wurden. Das lehren uns die Erfahrungen im Nahen Osten, wo Kinder spielerisch zu Kindersoldaten ausgebildet werden. Das lehren uns gewaltbereite Jugendliche heute, die sich in Gewalt als Macht der Machtlosen verstricken. Und wer kann nicht den Vater und die Mutter in Afghanistan verstehen, die sich auf den Weg in die Flucht machen, um ihre Kinder vor Fanatismus, Terror und Unterdrückung zu schützen?

Als Christen ist uns ein Gegenmodel mitgegeben worden, das uns Wege zeigt, diesen Kreislauf der Gewalt zu durchbrechen. Im diesem Jahr 2021 begleitet uns ein Bibelwort aus dem Lukasevangelium als Jahresmotto: "Jesus Christus spricht: Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!" Das heißt: Lasst die Liebe über allem stehen, über Gewaltbereitschaft, über Fanatismus, über Menschenverachtung. Kein Kind der Welt ist von sich aus gewalttätig. Lassen wir die Kinder die Liebe erfahren, mit der Gott Hass und Gewalt besiegen will.

Rüdiger Schwulst ist Pfarrer für Religionsunterricht an den Schulen des CJD in Versmold