Andacht vom 30. September 2012

30. September 2012 - 17. Sonntag nach Trinitatis -Erntedank

Zum Michaelistag

„Da hast Du wohl einen Schutzengel gehabt!“ sagte die Oma nach einer Schrecksekunde zum Enkelkind. Der Kleine war vom Klettergerüst gefallen, und sein Kopf hatte den Metalpfosten um Haaresbreite verfehlt. Er selbst hatte die Gefahr gar nicht bemerkt und spielte sofort fröhlich weiter. Der älteren Dame aber saß der Schreck immer noch in den Gliedern.

Ich selbst habe auch schon ähnliche Erfahrungen gemacht. Da setze ich das Auto zurück, um in der engen Straße zu wenden. In dem Moment, wo ich nach vorne gucke, biegt ein anderes Auto hinter mir ein. Ich setze zurück, und um Haaresbreite verpasse ich den vorbeiflitzenden Wagen. Ein Stoßgebet: „Danke!“ Und das Gefühl: Da hat ein Engel gerade seine Hand dazwischen gehalten.

„Schwein gehabt“, „Glück gehabt“, „Dein Schutzengel hat eingegriffen“ oder einfach bloß „Zufall“ - je nach Weltanschauung deuten wir solche Alltagserfahrungen unterschiedlich.

Am 29. September steht in vielen katholischen und evangelischen Kalendern der Name „Michaelis“, Tag des Erzengels Michael. An diesem Tag werden wir erinnert an die biblische Tradition von Engeln und Erzengeln (manchmal auch Cherubim und Seraphim genannt). Sie spielen in der Bibel eine große Rolle, z.B. in der Weihnachtsgeschichte, wo sie den Hirten auf dem Feld die Geburt Jesu ankündigen, oder die Heilige Familie vor König Herodes warnen. Aber auch bei der Auferstehung Jesu, wo sie den ersten Frauen am Grab begegnen, und in vielen anderen Geschichten. Es lohnt sich, die Begegnungen nachzulesen und dem biblischen Bild der Engel nachzuspüren.

Anders als in esoterischen Weltanschauungen sind in der Bibel die Engel immer Gottes Engel: Boten Gottes. Das griechische Wort „angelos“ bedeutet „Bote“. Sie handeln nicht selbstständig, sondern im Auftrag des Schöpfers von Himmel und Erde. In der Bibel heißen sie oft „Engel des Herrn“. Die Engel selbst treten zurück und die Botschaft bzw. der sendende Herr steht im Mittelpunkt. Die Bibel weiß aber auch um finstere Mächte, Dämonen. Deshalb ist es wichtig, sich nicht einfach wahllos höheren Mächten auszusetzen, sondern Gott zu suchen, der sich in Jesus Christus uns zeigt.

Wir dürfen Gott dann um seine Engel bitten. Und Gott verspricht denen, die auf ihn vertrauen, seine Hilfe: „Der Engel des Herrn lagert sich um die her, die ihn fürchten.“ (Ps 34, 8)

Was für eine herrliche Gelassenheit, wenn man als Christ im Alltag, ob auf dem Spielplatz oder im Auto, nicht dem „Schwein“ oder dem „Zufall“ oder sonst einer ominösen Macht ausgeliefert ist, sondern wissen darf: „Gott hat seine Engel befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen!“ (Ps 91, 11)

von Nicolai Hamilton, Pfarrer in der Kirchengemeinde Halle