Wort zum Ostersonntag, 04.04.2021
Über ein Jahr leben wir nun schon mit der Corona-Pandemie. Und ich höre nicht nur von Kolleg*innen in der Schule, sondern auch von den jungen Erwachsenen, denen ich tagtäglich im Religionsunterricht begegne: Ich bin’s echt leid! Ich baue total ab, bin verzweifelt, fühle mich allein! Ich sitze viel zu viel zu Hause herum, möchte endlich mal wieder im Club feiern, mich mit allen meinen Freund*innen treffen, mal wieder richtig schön essen gehen oder auf ein Glas in die Kneipe, den Abiball feiern oder in den Urlaub fahren können - das wäre toll! – In all der Verzweiflung und dem, was gerade nicht geht, schwingt auch etwas Hoffnung mit, die wir dringend brauchen. Ja, wir benötigen nachhaltige, ausdauernde Widerstandkraft, neue Resilienz, neue Stärke, nicht nur seelisch, sondern auch körperlich wie geistig gegen Verzweiflung, Depression, Gleichgültigkeit, Lethargie. Wodurch aber könnte unsere Resilienz besser aufgebaut und genährt werden als durch das Ostergeschehen, jenem ‚Sprung vom Nichtleben zum Leben‘ (Kurt Marti). Mit diesem Bedürfnis können wir unserer Osterbedürftigkeit sehr gut auf die Spur kommen.
Die Osterbotschaft ‚nährt unsere flügellahme Hoffnung: Was dem einen widerfuhr, das blüht um Gottes Willen uns allen – Leben aus dem Tod.‘ Und das nicht nur, nach dem wir im buchstäblichen Sinn gestorben sind, sondern schon jetzt, in diesem unseren so wertvollen, aber momentan sehr eingegrenzten Leben.
So oder ähnlich muss es auch Maria Magdalena und den beiden anderen Frauen ergangen sein, als sie am frühen Ostermorgen in ihrer Trauer zum Grab Jesu gehen, um Jesus mit kostbaren Ölen zu salben, ihm die letzte Ehre erweisen und plötzlich feststellen müssen, dass Jesus nicht mehr im Grab liegt. Doch ein Jüngling im weißen Gewand verkündigt ihnen die frohe Botschaft: ‚Er ist auferstanden, er ist nicht hier, er ist auf dem Weg nach Galiläa – dort werdet ihr ihm begegnen.‘ – Aber die Frauen ergriffen die Flucht, in Angst, Entsetzen, mit Zittern und sie sagten niemandem etwas.
Später, nach der Begegnung mit dem auferstandenen Jesus, ist es Maria Magdalena, die den Jüngern diese frohe Botschaft weitersagt. Sie durchbricht damit die Begrenztheit ihrer tränenreichen Trauer und wächst über sich selbst und ihre Ängste hinaus – als Frau zur Zeit Jesu. Sie zeigt wahre Größe. Doch auch die Jünger glaubten es zuerst nicht.
Nach der dunklen Nacht des Abschieds, der Trauer, der Hoffnungslosigkeit blickten die Frauen mit dem Licht der aufgehenden Ostersonne auf die neue Perspektive der neuen Wirklichkeit: Jesus lebt! Jesus ist auferstanden!
In ihnen flammte eine vage Ahnung auf, dass Tod nicht für immer Tod bleibt, dass Gottes Macht weiter reicht als unsere Hoffnungslosigkeit und unsere Tränen. Auch wir tragen diese Ahnung in uns von dem ‚Mehr als dem, was ist‘; von dem Mehr, als dem, was wir gerade sehen und begreifen können, und das nicht erst nach dem Tod, wenn Gottes Reich sich vollendet, sondern sich diese neue Wirklichkeit schon hier und jetzt in diesem Leben in kleinen Zeichen ereignen kann, und sich damit kleine Fenster zum Paradies öffnen, nämlich immer dann, wenn wir…
…unsere Ängste und Zweifel überwinden und mutig auf Neues wagen,
…unsere dunklen Ecken verlassen und Schritte ins Licht gehen, auf andere zu,
…nach tiefer Enttäuschung wieder eine neue Perspektive sehen,
…erkennen, dass die zerstörte Natur durch die Pandemieeinschränkungen Erholung erfährt,
…nach schmerzvoller Trennung wieder neue Schritte ins Leben wagen,
…nach Abschied, Verlust und Trauer das Leben wieder neu lieben und schätzen lernen,
…nach einer Zeit voller (meist hinnehmbarer, pandemiebedingter) Entbehrungen, uns dem Leben wieder neu, kraft- und hoffnungsvoll in die Arme werfen.
Darum geht mit Maria Magdalena – der Ostermorgen erwacht.
‚Eure Verzweiflung wird sich wandeln in Verstehen,
Eure Traurigkeit in Mut und
Eure Angst in Liebe‘ und Kraft.
Und: Tod in Auferstehung – mitten im Leben! -
Was für eine mutmachende, frohe Osterbotschaft im gerade erwachenden Frühling!
Christiane Karp-Langejürgen ist Pfarrerin am Berufskolleg in Halle/Westf.