Andacht zum 21. Februar 2021

Wort zum Sonntag Invokavit, den 21.02.2021

„Die zarteste Versuchung seit es Schokolade gibt.“ Aus Werbesprüchen wie diesem ist uns der Begriff „Versuchung“ wohl bestens bekannt. Die Schokolade lockt mit ihrem Geschmack. Wer kann da schon widerstehen? Alles halb so wild, ist ja nur ein Stückchen Schokolade. Was soll daran schon verkehrt sein? 

Die Passionszeit hat begonnen und lässt uns heute den Blick auf etwas besonders Heimtückisches lenken. Denn eine Versuchung kann viel mehr sein als bloß ein Stück Schokolade. Nicht ohne Grund betet Jesus im Vater Unser: „Bitte führe uns nicht in Versuchung.“ 

Warum soll ich ehrlich sein, wo die Lüge nicht auffällt und ich durch die Wahrheit womöglich einen Nachteil habe? Steuern hinterziehen, wenn es niemand sieht? Untreu sein, wenn es keiner mitbekommt? Eine Versuchung im eigentlichen Sinne ist alles andere als harmlos. 

All diese Dinge können viel Schaden anrichten. Irgendwer leidet letztlich immer darunter. Nicht selten ich selbst unter meiner eigenen Handlung. Aber warum lasse ich mich dann dazu verleiten, wenn ich es doch eigentlich gar nicht will? 

Dafür muss man sich einer Sache bewusst sein: Die negativen Konsequenzen liegen nicht auf der Hand. Direkt vor Augen ist hingegen das Reizvolle. Das Objekt der Begierde. Man könnte fast sagen, wer einer Versuchung nicht widersteht, ist lediglich kurzsichtig. Das Verlockende steht mir unmittelbar vor Augen. Die Konsequenzen hingegen in weiter Ferne. Verschwommen. Irgendwo am Horizont. 

Jesu anschließende Bitte lautet: „Sondern erlöse uns von dem Bösen…“ Es ist die Bitte für den Kurzsichtigen. Ihm eine Brille aufzusetzen. Den Kopf zu heben und den Blick zu weiten. Weg von dem verlockenden Reiz. Eine verheißungsvolle Perspektive gewinnt an Schärfe. Als Belohnung wartet ein erhebendes Gefühl, wenn man der Verlockung widerstanden hat. 

Doch nicht zuletzt steht über allem, auch über unseren schlimmsten Fehlern und unserem Versagen, die Zusage der Liebe Gottes von der uns nicht in dieser Welt trennen kann, auch nicht wir selbst. 

Johannes Schulte ist Vikar in der Ev.-Luth. Kirchengemeinde  Brockhagen