Andacht zum Ostersonntag, 12. April 2020

Wort zum Ostersonntag, 12. April 2020

„Alles wirkliche Leben ist Begegnung“ – Martin Buber


Liebe Leserinnen und Leser,

Ostergeschichten sind Begegnungsgeschichten. So war es von Anfang an. Der Auferstandene begegnet den eingeschüchterten Jüngerinnen und Jüngern nach seiner Kreuzigung und durch diese Begegnung werden sie froh. Die scheinbar an Karfreitag zerbrochene Hoffnung blüht wieder auf. Es war nicht vergebens, sich Jesus und seiner Idee von einer neuen Welt in Gottes Nähe zu öffnen.

Die Ostergeschichten nehmen damit einen Grundzug unseres alltäglichen Lebens auf: Unser Leben baut darauf, dass wir in Beziehungen leben und einander begegnen und diese Begegnungen uns zum Positiven hin verändern können. Der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber hat es prägnant auf die Formel gebracht: Alles wirkliche Leben ist Begegnung.

Wohl deshalb empfinden wir die derzeitigen Einschränkungen so gravierend. So hilfreich unsere digitalen Möglichkeiten auch sein mögen und wir sie in diesen Zeiten auch gut nutzen in Online-Meetings und dergleichen; eine wirkliche Begegnung können sie nicht ersetzen. Eine virtuelle Präsenz ist eben doch etwas anderes als eine leibhaftige Anwesenheit! Mir fehlen solche Begegnungen. Wirkliche Begegnungen setzen menschliche Nähe voraus. Sie erlauben uns, den anderen in den Arm zu nehmen und Trost oder auch Zärtlichkeit zu zeigen.

Die Härte der Coronakrise wird insbesondere denjenigen bewusst, die sich nicht von einem geliebten Menschen verabschieden und noch nicht einmal mit vertrauen Menschen zusammen kommen können. Neben der Härte des Todes trifft uns auch unser ganz menschliches Empfinden, einander in solchen Zeiten nahe sein zu wollen und einander zu trösten.

Zu recht könnte man meinen, man sei in diesen Momenten von Gott und der Welt verlassen. Ostergeschichten sind Begegnungsgeschichten. Ostergeschichten sind aber auch Hoffnungsgeschichten.

Gerade dafür steht Ostern, dafür steht der Auferstandene ein, dass wir uns nicht von Gott und der Welt verlassen fühlen müssen. Seit Ostern ist der Tod nicht mehr das Ereignis totaler Verhältnislosigkeit. Jesu Auferweckung zeigt: Da wo Verhältnisse enden, setzt sich Gott selber ein. Er schafft neue Verhältnisse und will uns aus dem Tode, aus der Beziehungslosigkeit herausbringen. Das ist unsere Hoffnung! Diese Hoffnung trägt auch in schwierigen Zeiten.
So gesehen wünsche ich Ihnen gesegnete Ostern!

Ihr
Walter Hempelmann
Superintendent des Ev. Kirchenkreises Halle