Wort zum 25. April 2020

Hoffnungsmaschine

Fünf Leute schieben ein Klavier durch Köln. Quer durchs Agnesviertel – das Veedel Heinrich Bölls und Hilde Domins. Ihr Ziel ist der Ebertplatz. Dort angekommen sammeln sich sofort Neugierige. Was ist hier los? Die Fünf fangen an, Musik zu machen. Markus Berges singt: „Erinnere dich, an die Liebe“, schreibe ich. Der Filzstift quietscht wie ein tropischer Vogel, hörst du mich? Und Judith Holofernes antwortet: Ja, ich hör’ dich, und ich schwör,’ ich schlaf’ nie wieder ein. Im Nu wird es richtig voll auf dem Ebertplatz. Alle Generationen kommen zusammen. Bewegen sich im Rhythmus. Lachen. Machen Fotos. Tanzen. Ganz spontan.

Szenen aus dem Musikvideo „Hoffnungsmaschine“ der Band Erdmöbel. Vor zweieinhalb Jahren hat sie es gepostet, mit dem Kommentar: „Das Lied für unsere harten Zeiten.“ Aber wenn ich die Szene sehe, kommt sie mir fast idyllisch vor. Das sollen harte Zeiten gewesen sein? Unglaublich. Da versammeln sich spontan um die hundert Leute! Mitten in der Stadt! Ganz legal. Keiner trägt Masken. Keiner hat Berührungsängste. Im Gegenteil: Alle swingen, dicht an dicht.

Das Video war natürlich schon damals ein Sehnsuchtsbild. Populisten und Autoritäre spalteten schon damals die Welt. Die AfD war gerade drittstärkste Kraft im Bundestag geworden und stramm auf dem Marsch nach rechts. Es war höchste Zeit, eine „Hoffnungsmaschine“ anzuwerfen. Und an die verbindende Kraft der Liebe zu erinnern.

Aber heute sehe ich das Video eben mit anderen Augen. Mit den Erfahrungen von heute. Von „social distancing“, „shut down“ und der Verlagerung des Sozialen in die „sozialen Medien“. „Erinnere dich!“, so fängt das Lied an. Hoffnung beginnt mit der Erinnerung. Erinnerung an bessere Zeiten. Selbst dann, wenn es damals auch schon harte Zeiten waren.

Meine Hoffnung als Christ wurzelt in der Erinnerung. Vor bald 2.000 Jahren ist etwas geschehen, was eine unglaubliche „Hoffnungsmaschine“ in Gang gebracht hat. Jesus Christus hat den Tod überwunden. Seine Macht ist größer als die von Corona und Abstandsgebot. Deshalb hat Markus Berges recht, der Sänger der Erdmöbel: „Erinnere dich, an die Liebe“, schreibe ich. Irgendwann werden wir dazu auch wieder spontan gemeinsam tanzen können!

Hier geht es zum Video: www.youtube.com

Von Dr. Sven Keppler, Gemeindepfarrer in Versmold