Andacht vom 22. September 2013

22. Septemnber 2013 - 17. Sonntag nach Trinitatis

Auf dem Weg zum Reformationsjubiläum  -
Auf dem Weg zur Wahl 

Wieso sollten wir einen einmaligen Sonderfeiertag für das 500jährige Reformationsjubiläum 2017 einrichten? Ist das nicht viel zu teuer für ein rein kirchliches Anliegen? Das fragen sich nicht nur die Unternehmer. Wir befinden uns zurzeit nicht nur auf dem Weg zum Reformationsjubiläum, sondern auch zur Bundestagswahl. Schon allein an dieser Stelle, kann uns der Blick in die Geschichte verdeutlichen, dass die Reformation nicht nur eine kirchliche, sondern eine gesamtgesellschaftliche Bedeutung hat.

Als Martin Luther vor bald 500 Jahren die Bibel ins Deutsche übersetzte, löste er einen Prozess aus, der bis heute anhält. Unterstützt durch den erst neu erfundenen Buchdruck war das Wort Gottes nun nicht mehr allein für die Gebildeten, die der lateinischen Sprache mächtig waren, verständlich, sondern jeder Bauer konnte verstehen, was ihm vorgelesen wurde. Ohne weitere Erläuterungen wurde schnell klar, dass vor Gott alle Menschen gleich sind. Es brauchte keinen Priester, der die Tür zum Himmel öffnete und keine frommen Taten, die Gott freundlich stimmten. In kurzer Zeit wurde im ganzen Land klar, dass eine Gesellschaftsordnung, in der wenige Reiche auf Kosten der vielen Armen lebten, so nicht von Gott gewollt war und eine Bewegung voller revolutionärer Sprengkraft entstand. Es waren die Bauernkriege, von denen oft nur die gewalttätigen Ausschreitungen im Gedächtnis blieben. Es lohnt sich aber, sich einmal die Forderungen der Bauern, zu deren Unterstützern bekannte Künstler wie der Altarschnitzer Tilman Riemenschneider gehörten, einmal genauer zu lesen. Was dort von der Organisation eines Staates geschrieben ist, wirkt wie eine ganz altertümliche Vorlage für das Grundgesetz.

Eine der Wurzeln unserer demokratischen Gesellschaftsordnung liegt in der Bibelübersetzung der Reformationszeit, weitere Wurzeln kamen während eines langen Kampfes hinzu. Menschen verschiedener Weltanschauungen leisteten ihren Beitrag, bis nach 400 Jahren endlich das erste Mal in Deutschland alle Menschen gleich waren und 1919 die ersten freien Wahlen stattfanden. Diese Demokratie hielt nur 14 Jahre. Es sollte noch bis 1989 dauern, bis das in ganz Deutschland Wirklichkeit wurde, was wir heute für selbstverständlich halten. Vielleicht ist es kein Zufall, dass die Bilder, die wir mit dieser letzten, nun friedlichen Revolution in Verbindung bringen, meist Menschen mit Kerzen in der Kirche in Leipzig zeigen.


In diesem langen Prozess waren für die meisten Menschen freie, gleiche und geheime Wahlen meist nur eine Utopie, für die sie oft ihr Leben eingesetzt haben. Ihr Einsatz von der Reformationszeit an, hat dafür gesorgt, dass wir am nächsten Sonntag eine große Chance und Verantwortung zugleich haben. Schlagen wir dieses hart erkämpfte Erbe nicht aus: Sondern nehmen uns Zeit zu überlegen, wem wir es zutrauen, die nächste Regierung in Deutschland zu bilden.

von Silke Beier, Pfarrerin der Evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde in Werther.