Wort zum 23. Sonntag nach Trinitatis, 30. Oktober 2016
„Ich versteh das nicht. Der spinnt doch.“ Etwas ratlos und ärgerlich steht sie da. Nun hatte sie ihm alles ausführlich begründet und es schien so, als hätte er alles akzeptiert. Er hatte jedenfalls nicht widersprochen. Und nun macht er einfach, was er schon vor dem Gespräch machen wollte. Sturkopf.
„Ich versteh das nicht.“ Dieser Satz ist wirklich wahr. Wir verstehen die anderen nicht. Und wir gehen mit untrüglicher Sicherheit davon aus, dass sie genauso fühlen wie wir, dieselben Ziele haben, das machen können, was wir ihnen vorschlagen. Aber es stimmt nicht. Menschen sind grundverschieden.
Die einen brauchen die perfekt aufgeräumte Wohnung und die anderen fühlen sich in einem überschaubaren Chaos sehr wohl – wobei auch das Wort „überschaubar“ sehr unterschiedlich erlebt wird. Und die eine Haltung ist nicht besser als die andere, einfach nur anders. Und anders ist nicht böse. Wir Menschen sind wirklich unterschiedlich, meilenweit! Und niemand von uns ist vollkommen.
„Ich versteh das nicht.“ Kein Wunder. Es hat mal jemand gesagt: In Beziehungen muss man davon ausgehen, dass jeder eine fremde Sprache spricht. Man muss hinhören, verstehen lernen, vorsichtig miteinander umgehen. Es ist nicht so, dass nur die anderen anstrengend sind für mich. Ich bin es auch für sie. Wir kennen uns oft viel zu wenig, geschweige denn die anderen.
Ein Glück, dass wir nicht alle gleich sind. Das macht das Leben reich. Da kommen viele Gaben zusammen. Aber es muss auch ausgehalten werden. Mir hat es in unserer Ehe geholfen, irgendwann mal zu entdecken: Was meine Frau tut, das tut sie erst mal nicht gegen mich, sondern für sich. Auch sie kann erst dann Liebe weitergeben, wenn sie sicher ist und sich selber geliebt weiß. Sie ist anders als ich – und sie darf es sein. Und ich darf es auch.
Jesus hat den Menschen von der Liebe Gottes erzählt und hat sie ihnen vorgelebt. Und dann hat er gesagt: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Es ist gut, dass wir einen Gott haben, der Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit liebt. Und der Geduld hat mit seinen Menschenkindern.
PS: Sturheit ist manchmal eine Überlebenstaktik.
von Friedrich-Karl Völkner, Pfarrer im Ruhestand in Halle