Wort zum Sonntag Misericordias Domini, 05. Mai 2019
Unterwegs auf den letzten Kilometern zur Nordseeküste. Der Wind wird stärker, die Windräder drehen sich. Ich fahre am Deich entlang. Und dann sehe ich sie: Unzählige Schafe blicken mir entgegen, stehen wie angewurzelt, blicken alle in dieselbe Richtung. Nett, es sieht aus, als ob sie mich erwarten, große und kleine. Aber, schaue ich genauer hin: Keines scheint sich für mich zu interessieren – unbeirrt stehen sie und harren aus.
Worauf warten sie? Können sie nur im Kollektiv ihr Handeln ausrichten? Sind sie willenlos? Warten auf einen, der sagt, wo es lang geht?
Der kommende Sonntag heißt auch ‚Hirtensonntag‘. Der Hirte – ein Bild aus unserer Zeit? Möchte ich mit einem Schaf verglichen werden?
Mir fallen die Hirtenfelder bei Bethlehem ein: Lange schon ist es mit dem Schafe-Weiden dort vorbei. Die Hirten – durch die Mauer begrenzt – versuchen, ihre Schafe direkt auf dem Grund um ihr Haus herum zu weiden – der Weg zu den grünen Weiden mit den Kräutern, die sie brauchen, um für ihre Herden gut zu sorgen, ist nicht mehr erreichbar für sie. Sie verlassen ihre Herden nicht – aber sehen kaum Zukunft für zukünftige Generationen. Werden sie eines Tages wieder hören „Fürchtet euch nicht! Denn euch ist heute der Heiland geboren... Gloria – und Friede auf Erden!“?
Die Ziegenherde im Inneren von Fuerteventura fällt mir ein: das laute Mähen eines kleinen Zickleins, was immer höher geklettert ist und nun nicht mehr vor und zurück kann – die Mutter stimmt in die Klage ein, kann aber selbst nicht helfen.
Ein Pfiff, der Hund nimmt die Spur auf, um das Zicklein zu finden, der Hirte geht mit behutsamem, großem Schritt hinterher – und nimmt das Zicklein auf. Trägt es zur Mutter zurück – und so, als ob nichts geschehen wäre, zieht die Herde weiter.
„Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir. Dein Stecken und Stab trösten mich!“ (Ps.23, 4)
Jesus Christus spricht: Ich bin der gute Hirte und kenne die Meinen und die Meinen kennen mich!“ (Joh.10,14)
von Pfarrerin Susanne Böhringer, Kirchengemeinde Halle