Andacht vom 25. August 2013

25. August 2013 - 13. Sonntag nach Trinitatis

Ausgeflogen

Im Urlaub hatten wir auf unserem Haus ein Storchennest. Zwei Jungvögel saßen dort und ließen sich von ihren Eltern füttern. Eines Morgens war das Nest leer. Die Jungvögel waren flügge geworden und zogen ihre Runden. Die Vogeleltern hielten sich noch in der Nähe auf, der Radius der Vogelkinder aber wurde mit jedem Ausflug größer. Bald würden sie nicht wieder in das Nest zurückkommen, sondern auf eigenen, dünnen Beinen stehen.

Ausgeflogen – so beschrieb ein Bekannter seine neue Familiensituation. Der Sohn sei nach erfolgreichem Schulabschluss zum Studium nach München gezogen. Das Kinderzimmer stehe jetzt leer. Es sei schon ein komisches Gefühl – so ganz allein mit seiner Frau im großen Haus. Vergessen die Momente, wo Vater und Sohn sich stritten – über zu laute Musik und zu spätes nach Hause kommen. Jetzt sei da nur ein Gefühl von Leere. Und die Sorge, ob der Sohn es packen wird, „ganz ohne uns?“.

Ich kann seine Sorgen gut nachvollziehen. Obwohl meine Töchter nur zwei Wochen auf einer Jugendfreizeit waren, vermisste ich sie schon nach drei Tagen ganz fürchterlich und fragte mich, ob es ihnen gut geht. Wie viel schlimmer muss dies für Eltern sein, deren Kinder ganz zu Hause ausziehen. Ich kann mir gut vorstellen, dass manche Eltern ihre Kinder am liebsten auch in der Ferne weiter versorgen und beschützen würden. Ob das so gut wäre? Ich glaube nicht!

Kinder zu haben ist eine große Verantwortung, die nicht unbedingt mit dem 18. Lebensjahr erlischt. Irgendwann aber werden Kinder selbst Verantwortung für ihr Leben übernehmen und ihre eigenen Wege suchen. Dann muss ich sie aus dem Nest ziehen lassen – auch wenn das schwer fällt! Ich vertraue darauf, dass Gott sie bei ihrer Wegfindung unterstützt, so wie er es im Buch des Propheten Jesaja verspricht: Ich bin der HERR, dein Gott, der deine rechte Hand fasst und zu dir spricht: Fürchte dich nicht, ich helfe dir! (Jesaja 41,1). Vielleicht stehen dann die Kinder zunächst noch unsicher wie Jungstörche auf „dünnen Beinen“, hoffentlich aber mit jedem Tag sicherer.

von Christian Eckey, Pfarrer der Evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Borgholzhausen