Andacht vom 26. Juli 2015

Wort zum 8. Sonntag nach Trinitatis, 26. Juli 2015

Heute schon gelobt? Haben Sie heute schon einem Menschen gesagt, dass er wichtig für Sie ist? Haben Sie jemanden spüren lassen, dass Sie sich an ihm freuen? Hat heute schon jemand von Ihnen Dankbarkeit oder Lob erfahren?

Der Vater war gestorben und die Tochter litt darunter, dass er sie nie gelobt hatte, ihr nie gesagt, wie wichtig sie ihm war. Von Freunden erfuhr sie dann später, dass der Vater ihnen oft gesagt hatte, wie stolz er auf seine Tochter sei. Aber ihr selbst hatte er es nie gesagt. Warum? Vielleicht hätte er auf diese Frage geantwortet: Ich brauche es ihr doch nicht zu sagen – sie weiß doch, wie wichtig sie mir ist.

Sie wusste es nicht. Und viele wissen es nicht. Und dabei sehnen wir uns nach Anerkennung und Wahrgenommen werden durch andere Menschen. Und es beflügelt uns und gibt uns Mut, uns mehr im Leben zuzutrauen. Es hilft uns, unsere Gaben zu entdecken und dankbar zu werden für das, was wir sind und was wir können.

Ich erinnere mich an einen katholischen Pater, der mich und viele andere vor vielen Jahren auf einer evangelischen Tagung sehr beeindruckt hatte. Ich wollte ihm sagen, wie sehr ich ihn schätze – aber ich dachte: Der braucht mein Lob nicht. Der weiß doch, wie wichtig er ist. Am Ende der Tagung begegneten wir uns mit Koffern auf dem Gang. Ich dachte: Jetzt oder nie – und sagte ihm, wie wichtig er für mich war. Da traten ihm Tränen in die Augen und ich erfuhr, dass er als einziger Katholik auf dieser Tagung sich sehr unsicher gefühlt hatte und gar nicht wahrgenommen hatte, wie sehr alle ihn schätzten…

Wir alle brauchen Lob und Anerkennung – und können Lob und Anerkennung weiter geben: Eltern und Kinder, Männer und Frauen, Ärzte und Politiker, Sekretärinnen und Automechaniker, Künstlerinnen und Bahnbeamte, – wir alle. Was würde geschehen, wenn wir die Augen auf machen würden – Achtsamkeit nennt man das heute – und den Menschen das Gute sagen würden, das wir bei ihnen sehen. Wahrnehmen – und den Mund aufmachen. Es tut allen gut.

Im Schlusssegen am Ende eines jeden evangelischen Gottesdienstes heißt es: „Gott lasse sein Angesicht leuchten über dir.“ Er sieht dich mit Augen der Liebe. Bei ihm zählst du. Seine Augen strahlen, wenn er dich sieht. Du bist angesehen. Also: Als Angesehene Ansehen weitergeben – und den Mund aufmachen.

von Friedrich-Karl Völkner, Pfarrer im Ruhestand, lebt in Halle