Andacht zum 19. Dezember 2021

Wort zum 4. Advent, Sonntag, den 19.12.2021

 

Der Teufel brächt uns gern zu Fall und wollt uns gern verschlingen all;

er tracht’ nach Leib, Seel, Gut und Ehr, Herr Christ, dem alten Drachen wehr!

 

Ich stolpere über diese Strophe aus dem Adventslied „Ihr lieben Christen, freut euch nun!“ Nach Freuen ist gerade kaum jemand zumute. Ich wollte aus Termingründen schon im Oktober das Wort zum Sonntag für den 4. Advent schreiben. Über diesem Tag steht traditionell das Paulus-Wort: „Freuet euch in dem Herrn allewege! Und abermals sage ich: Freuet euch!“ Das fiel mir schon damals schwer. Heute weiß ich: Ich muss es neu schreiben. So theologisch richtig es sein mag – heute würden meine Zeilen zynisch wirken.

Erasmus Alber hat sein Lied 1546 verfasst, im Todesjahr seines Lehrers und Freundes Martin Luther. Vor 475 Jahren waren Maria Stuart und Sir Francis Drake noch Kleinkinder. Wie das Leben dieser Promis aussah, mag man ahnen. Aber worüber freuten sich die Durchschnittsmenschen? Was mussten sie fürchten? Das grauenhafte Hauen und Stechen der Bauernkriege war Gott sei Dank vorüber. Aber Seuchen waren eine ständige Bedrohung: Pest, Syphilis, Tuberkulose, Pocken. Die sogenannte Entdeckung Amerikas sorgte für ihre globale Verbreitung. Impfen war noch 250 Jahre lang ein Fremdwort. Was Europa Reichtum und neue Möglichkeiten brachte, zerstörte im südlichen Amerika Menschenleben und Kulturen. Rassismus und Menschenhandel waren schon damals Voraussetzung und Folge der Globalisierung. Was Erasmus Alber davon wusste, an welche Teufel und Drachen er dachte, die nach Leib, Seel, Gut und Ehr trachten, weiß ich nicht. Aber ich kann lesen, was er – ganz in einer Linie mit Paulus - als erste Strophe seines Liedes gedichtet hat:


Ihr lieben Christen, freut euch nun, bald wird erscheinen Gottes Sohn,

der unser Bruder worden ist, das ist der lieb Herr Jesus Christ.

 

Dass Gott uns nahe kommt in einem hilflosen Kind, dass er sich einlässt auf diese zerrissene Welt und mitten darin das Reich Gottes aufblitzen und überall da erleben lässt, wo auch wir menschlich werden, das macht mir Mut in dieser Zeit. Und lässt mich mit Freude dem Weihnachtsfest 2021 entgegensehen.

 

 


Kirsten Potz ist Pfarrerin für die MÖWe Westfalen