STEINHAGEN – Manche gehen etwas zögerlich vom Parkplatz oder der Straße auf die weit geöffnete Tür des Johannes Busch-Hauses (JBH) in Steinhagen zu – fast so, als zweifelten sie noch daran, dass heute, am Muttertag, wieder ein Gottesdienst stattfindet. Andere legen das kurze Wegstück mit schnellen und festen Schritten zurück, sind sich ganz gewiss, dass die Glocken zum Gottesdienst rufen und sie wollen nach sieben Wochen Pause nicht zu spät kommen, so scheint es. Bis der aber beginnen kann, müssen alle Besucher*innen ein paar Dinge erledigen.
Pfarrerin Dagmar Schröder nimmt alle, die kommen auf dem Weg zum geöffneten Eingang in Empfang und begleitet sie bis zur Tür. Eine neue „Corona-Verordnung“ schreibt ein paar Dinge vor für die Gottesdienste, die ab jetzt wieder in evangelischen Kirchen in NRW, beziehungsweise in ganz Deutschland stattfinden dürfen. Intensiv haben sich die Gemeinden darauf vorbereitet: Auch das Team des JBH hat Desinfektionsmittel und Mund-Nasen-Schutz angeschafft – Küsterin Silke Lütgemeier hat für den Bezirk am JBH welche genäht, die sie für eine Spende anbietet. Presbyterin Brigitte Westmeier erwartet an einem Stehtisch alledie eintreten, , und bittet um Namen, Adressen und Telefonnummern. „Damit wir, falls durch eine Erkrankung notwendig, nachvollziehen können, wer alles hier war“, erläutert sie – und es klingt wie eine Entschuldigung. Die braucht es aber gar nicht, denn fast alle, die kommen, sind durch die ausführlichen Berichte in den Medien auf die Fragen eingestellt.
Schließlich führt Küsterin Lütgemeier alle einzeln in den Kirchsaal, der auf alle befremdlich leer wirkt. Alle Stühle, auf denen niemand sitzen darf, sind fortgeräumt. „Wo möchten Sie denn gerne sitzen?“ fragt sie nach den Vorlieben der Besucher*innen. Für 30 Leute ist Platz, Ehepaare und Familien dürfen nah beieinander sitzen. Am Ende sind 13 Gemeindeglieder gekommen. Für Pfarrerin, Kantorin und Küsterin sind besondere Stühle reserviert.
Zum Ablauf des Gottesdienstes haben sich Pfarrerin Schröder und Kantorin Lisa Bendig beraten: Statt der mit der Gemeinde gesungenen Liturgie spielt die Kantorin Orgelmusik, alle Lieder interpretiert sie ebenfalls besonders. Hin und wieder stimmt jemand automatisch in die Wechselgesänge ein, obwohl nicht gesungen werden soll. Meist verklingt die Stimme nach ein paar Noten. „Vieles, was wir jetzt in unserer Kirche praktizieren, ist ungewohnt, manches fühlt sich seltsam oder fremd an“, gibt Pfarrerin Dagmar Schröder zu bedenken. Aber sie ist zuversichtlich, „dass wir auch unter diesen besonderen Bedingungen fröhlich und nachdenklich zusammenkommen können, um Trost und Stärke zu empfangen, um Gott zu loben und ihm zu danken.“
Trotz der räumlichen Trennung entsteht eine dichte, gemeinschaftliche Atmosphäre, die offensichtlich allen gut tut. Nur am Ende wird wieder deutlich, unter welchen Vorzeichen die Gemeinde heute Gottesdienst feiert: Silke Lütgemeier begleitet alle einzeln aus dem Kirchsaal, denn im JBH ist keine Einbahn-Verkehr möglich. Die traditionelle und immer gern getrunkene gemeinsame Tasse Kaffee unterbleibt. Manche der Besucher*innen zögert im Foyer für einen Moment. Auch wenn die Erfahrung der vergangenen Wochen gezeigt hat, auch im Internet können sich, wie schon lange am Radio oder Fernseher, Menschen zum Gottesdienst zusammenfinden, haben an diesem Sonntag viele die Begegnung von Angesicht zu Angesicht sichtlich genossen. (fra)