„Man muss irgendwann einmal eine Grenze ziehen.“ Diese Worte kommen von Udo Waschelitz, der gerade seinen achtzigsten Geburtstag gefeiert hat und sich nach zwanzig Jahren von seiner Tätigkeit als Synodalbeauftragter für die Blinden- und Sehbehindertenseelsorge im evangelischen Kirchenkreis Halle verabschiedet.
Der in Bochum geborene Diplom-Pädagoge war von 1971 bis 2004 Redakteur für die Zeitung „Unsere Kirche“ in Bielefeld. Nachdem es Abmeldungen von Lesern gab, deren Augenlicht sich verschlechterte, sodass sie die Ausgaben nicht mehr lesen konnten, rief er ein Hörmagazin in Form einer CD ins Leben, das heute noch Bestand hat. Waschelitz war zuständig für die Beiträge und deren Gestaltung. Die CD erscheint fünfmal jährlich und beinhaltet aktuelle Nachrichten sowie Andachten der schriftlichen Ausgabe.
Auch Termine wie die blindengerechte Freizeit, die für zwei Wochen jährlich im Frühjahr an die Ostsee nach Boltenhagen führt oder die ökumenische Woche jedes Jahr vor dem 1. Advent im Kurheim Brilon werden dort bekanntgegeben. Natürlich geht es auch rund um die Themen, die Blinde und Sehbehinderte interessieren. Es werden Hilfsmittel vorgestellt, die das tägliche Leben erleichtern. Das können praktische Klebepunkte zum Markieren von Radioknöpfen, Fernbedienungen, Tastaturen oder Schaltern sein, sprachgesteuerte Wecker, Armbanduhren und Küchenwaagen oder die bedienungsfreundliche Waschmaschine, bei der die einzelnen Symbole fühlbar und die Klicks des Drehwahlschalters deutlich hörbar sind. Ein Computer mit größerer Tastatur und Spracheingabe oder ein Handy, das SMS, Whatsapps und Mails vorliest bzw. über eine App der Farb- oder Bilderkennung verfügt, sind weitere Beispiele.
Als der Bockhorster Pfarrer i. R. Martin Engelbrecht 2002 als Beauftragter für die Blinden- und Sehbehindertenseelsorge ausschied, wurde Udo Waschelitz gefragt, ob er die Nachfolge antreten wolle. „Im November 2002 wurde ich in den Dienst berufen. Ich bin in diese Aufgabe hineingewachsen und es war immer schön, dem einzelnen Menschen helfen zu können. In der Einzelberatung habe ich die Seelsorge stets als Menschensorge verstanden – es sollte dem Einzelnen ganzheitlich, also nicht nur seelisch, sondern auch körperlich gut gehen. Das war mein Ziel. Wichtig war, dass die Menschen, die zu mir kamen, ja zu ihrer Einschränkung sagen. Das war die Voraussetzung, ihnen das Leben erleichtern zu können. Die Kirche tut gut daran, sich um diese Menschen zu kümmern, das ist ein ganz wichtiger Dienst“, setzt er ein Statement. Sein Tätigkeitsbereich umfasste in der Bezirksgruppe Gütersloh die Orte Bockhorst, Borgholzhausen, Brockhagen, Halle, Harsewinkel, Steinhagen, Versmold und Werther.
Neben der Einzelberatung der Menschen, die zwischen 19 und gut 80 Jahren alt sind, nahm er eine ganze Reihe an Tätigkeiten war. So besuchte er jährlich die Hilfsmittelausstellung in Gütersloh, um stets auf dem Laufenden zu sein. Er fuhr mit blinden Gemeindegliedern zu einem besonderen Abendmahlsgottesdienst nach Bielefeld oder nahm mit ihnen an einem Hörertreffen des Evangelischen Hörmagazins in Bad Meinberg teil. Er berichtete in Gemeindegruppen über die Probleme der blinden Menschen, wobei das Thema „Wenn die Augen nicht mehr taugen“ stark nachgefragt wurde. Dank seines Engagements wurde für alle Gottesdienststätten und Altenheime im Kirchenkreis Halle je ein Exemplar des Evangelischen Gesangbuches für Sehbehinderte angeschafft und bei jedem Gottesdienst bereitgehalten. Er nahm zweimal an einer Supervision in Dortmund teil und brachte die Anliegen der blinden und sehbehinderten Menschen im Ausschuss Seelsorge und Beratung im Kirchenkreis Halle ein. Nicht zuletzt hielt er stets persönlichen Kontakt mit den blinden und sehbehinderten Gemeindegliedern aus dem Kirchenkreis, sei es durch Besuche oder Anrufe.
Zweimal jährlich organisierte Udo Waschelitz ein Treffen für blinde und sehbehinderte Gemeindeglieder aus dem Evangelischen Kirchenkreis Halle sowie deren Begleiter im Café Gegenüber am Kirchplatz der Lindenstadt. Der Erfahrungsaustausch bei einer Tasse Kaffee und Kuchen war für einige Gäste eine feste Institution im Terminkalender, andere kamen neu hinzu. Stets wurde ein Referent eingeladen, die zu verschiedenen Themen Vorträge hielt. Das konnte der Erfahrungsbericht eines Betroffenen sein, der aus seinem Leben berichtete, die Vorstellung von neuen Hilfsmitteln, das Thema „Musik als Medizin“, die Inklusion am Beispiel der Haller Kindertagesstätte „Mamre“ oder der Bericht über eine Israelreise, um nur einige zu nennen.
2009 gab es eine Initiative aus diesem Kreis dieser Treffen mit der Anfrage, die Ampeln in der Haller Innenstadt mit akustischen Signalen auszustatten, um Blinden und Sehbehinderten einen gefahrlosen Übergang zu ermöglichen. Udo Waschelitz stellte einen Antrag beim Landesbetrieb Straßen NRW in Bielefeld, dem Kreis Gütersloh und der Stadt Halle. Bis zur Realisierung dauerte es jedoch neun Jahre und war ausschließlich seiner Hartnäckigkeit zu verdanken. „Wenn Leib und Leben der blinden und sehbehinderten Menschen in Gefahr sind, darf der Blindenseelsorger nicht tatenlos zusehen“, war seine Maxime. Nicht nur die akustischen Signale, auch die geriffelten Bodenplatten vor den Ampeln, die mit einem Blindenstock gut zu ertasten sind, und der Lift im Rathaus, der die einzelnen Etagen ansagt, gehen auf seine Initiative zurück, wie er mit ein wenig Stolz erwähnt.
Nach der Verabschiedung von Superintendent Dr. André Heinrich genießt Udo Waschelitz nun die neu gewonnene freie Zeit, um mehr für seine große Familie da zu sein. Die Gottesdienste im Altenzentrum Eggeblick einmal monatlich sowie am Heiligen Abend übernimmt er weiterhin sehr gern. Sein größter Wunsch wäre, wenn ein Nachfolger als Beauftragter für die Blinden- und Sehbehindertenseelsorge gefunden würde. „Darüber wäre ich sehr glücklich“, sagt einer, der zwei Jahrzehnte diese Tätigkeit mit viel Herzblut ausgefüllt hat. -dag-