Fasziniert sitzt der 1 1/2-jährige Toni in der ersten Bank der St. Jacobi Kirche und schaut auf das, was sich vor dem Altar abspielt. Er spürt: Hier passiert etwas Besonderes. Knapp drei Stunden auf dem Schoß seiner Mutter Karina oder zwischen Oma Susanne und Opa Volker, freut er sich über die flotte Musik oder schaut sich das Geschehen manchmal etwas näher an, wenn zum Beispiel Geschenke verteilt werden oder ein Quiz für Lacher in der Kirche sorgt. Wenn ein Gottesdienst so lange dauert, vier Bands spielen und die zahlreichen Besucher/innen in der Kirche mehrmals aufstehen, um Respekt zu zeigen, muss es sich um jemanden handeln, der beliebt war und nun auf besondere Weise geehrt werden soll. Volker Becker, 28 Jahre als Gemeindepädagoge im Dienst der evangelischen Kirchengemeinde Werther tätig, wurde in einem Jacobi Live Gottesdienst in den Ruhestand verabschiedet.
Der gebürtige Wertheraner wurde zunächst als Krankenpfleger ausgebildet. Gesundheitliche Probleme zwangen ihn zu einem Wechsel. Er besuchte ein Seminar für Gemeindepädagogik in Porta Westfalica und arbeitete 8 Jahre in der Kinder- und Jugendpädagogik in Gütersloh. Als in der evangelischen Kirchengemeinde Werther eine Stelle frei wurde, fragte man Becker, ob er sich vorstellen könne, wieder in seiner alten Heimat tätig zu werden. Der heute 63-Jährige zögerte nicht lange und war ab dem 1. Oktober 1995 als Jugendreferent für die Kinder- und Jugendfreizeiten tätig. Hier hatten es ihm neben den Fahrten nach Spiekeroog und Bornholm besonders die nach Schweden angetan, In Lyswik verbrachte er mehr als 30 Jahre seine Sommerferien und betreute Kinder und Jugendliche. Für viele ist er der „Papa Schlumpf“.
Er initiierte den „Treffpunkt 5“, in dem sich die Kinder, die zu den Freizeiten gefahren sind, im Sechs-Wochen-Rhythmus treffen, und den „Frittenfreitag“, an dem sich Jugendliche ab 12 Jahren treffen können. Nicht nur das, auch die Konfirmandenarbeit oblag ihm, er organisierte Schulungen und die Kinderbibelwochen, er war Vorsitzender der Mitarbeitervertretung und hob den Jacobi Live Gottesdienst mit anderen Mitstreitern aus der Taufe und gestaltete ihn mit – und wurde nun in einem verabschiedet.
In den folgenden drei Stunden gelang der Spagat zwischen berührenden und witzigen Momenten. Es ging es Schlag auf Schlag, alles war von langer Hand organisiert. Die Texte der modernen christlichen Lieder wurden auf Leinwand übertragen, man hatte jedoch das Gefühl, die Gäste in der vollbesetzten Kirche kannten sie zum größten Teil auswendig. Alle Bands der bisherigen Jacobi Live Gottesdienste - „Jacobi Projekt“, „Mittelpunkt“, „Link to Heaven“ und „Power of Paradise“ - waren zu Ehren Beckers vollzählig erschienen.
In einem Anspiel wurde auf witzige Weise dargestellt, wie sich Beckers Ruhestand nach einem Jahr gestalten könnte. Außerdem gab es einen kleinen humorvollen Seitenhieb für seinen Kleidungsstil – beides wurde von dem 63-Jährigen mit einem lachenden Gesicht quittiert. Er ist jemand, der Spaß versteht, das spürte man deutlich.
Bei Fragen wie „Wieviel Jacobi Live Gottesdienste hast du gestaltet?“ oder „Welcher Konfi-Jahrgang ist hier zu sehen?“ im Quiz „Wer hätt’s gedacht“ zeigte sich Becker souverän und lag bei den Antworten meist richtig oder zumindest nah dran und punktete damit bei Moderator Marvin Steffen.
Den Predigttext aus dem 92. Psalm „Wer Gott liebt, gleicht einer immergrünen Palme, er wird mächtig wie eine Zeder auf dem Libanongebirge“ nahm Pfarrer Holger Hanke zum Anlass, die große Verheißung eines Lebens in der Nähe Gottes aufzuzeigen. „Egal, ob man 13 Jahre alt ist und ein/e Konfirmand/in, ob Jugendlicher, ob ‚mittendrin‘ im Leben oder als Älterer in einem Pflegebett liegt, diese Zusage gilt für alle.“ Und an Volker Becker gerichtet: „Du hast in deinem stressigen, aber schönen Beruf den Kindern und Jugendlichen gesagt, dass es sich lohnt mit Gott zu leben.“
Ein feierlicher Moment war die Verabschiedung und Entpflichtung Beckers durch Pfarrerin Silke Beier. „Man hat dir abgespürt, dass du Kinder und Jugendliche gernhast. Du hast Generationen positiv geprägt. Ich spreche dich nun frei von allen Verpflichtungen.“ Nach dem Segen gab es langanhaltenden Applaus, zu dem sich die zahlreichen Gottesdienstbesucher/innen erhoben.
Nach zahlreichen wertschätzenden Grußworten und liebevoll ausgesuchten Geschenken von Vertretern des Presbyteriums, vom CVJM, dem Kirchenkreis, vom Kreis Gütersloh, dem Evangelischen Gymnasium und der Katholischen Kirchengemeinde sang ein Chor aus Hauptamtlichen frei nach Udo Jürgens „Mit 63 Jahren, da fängt das Leben an“.
Bevor es im Innenhof bei Crepes, einem Buffet und Getränken die Möglichkeit zu Gesprächen und einer persönlichen Verabschiedung gab, ergriff Volker Becker das Wort: „Ich danke für die lieben und wertschätzenden Worte. Eigentlich ist es zu viel der Ehre, denn ich habe diese Arbeit gern gemacht!“ Er bedankte sich bei seiner Familie, den Kollegen, der Gemeinde, den Ehrenamtlichen und bei Gott. „Danke, dass ihr mich ge- und ertragen habt! Ich bin dann mal weg. Nochmals danke dafür, dass ich hier arbeiten durfte“, verabschiedete er sich sichtlich bewegt und mit Wehmut in der Stimme. Seine Nachfolgerin Sabrina Detmer und der Anerkennungspraktikantin Rebecca Radtke wünschte er alles Gute. Bis zum Jahresende wird er die Beiden im Zuge einer Teilzeitstelle einarbeiten.
Im neuen Jahr hat er dann Zeit für die Familie. „Sie hat oft auf mich verzichten müssen. Zu mancher Familienfeier bin ich entweder später oder gar nicht gekommen.“ Seinen Enkel Toni, der mit Tochter und Schwiegersohn in Berlin lebt, kann er dann öfter besuchen – eine Dauerkarte für Opa Volker und Enkel Toni für den Berliner Zoo war eines der zahlreichen Geschenke… –dag-