Warum darf eine Urne nach einem Sarg im selben Grab beigesetzt werden, aber nicht andersherum? Und warum kann man eine Urne nicht bei sich zuhause aufbewahren? Diese und andere Fragen beschäftigten die Besucher einer Podiumsdiskussion zum Thema „Bestattungskultur im Wandel der Zeiten“. Der Landtagsabgeordnete Thorsten Klute hatte gemeinsam mit der Ev. Kirchengemeinde Steinhagen zur Veranstaltung eingeladen, aus der er Anregungen zu einer Veränderung des NRW Bestattungsgesetzes für die Politik mitnahm.
Aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln betrachteten die Diskussionsteilnehmer auf dem Podium des Dietrich-Bonhoeffer-Hauses die Bereiche Sterben, Tod und Trauer und besprachen den Wandel der Bestattungskultur in Deutschland. Bunte Särge oder moderne Musik sind mittlerweile auf Friedhöfen normal, auch die Urnenbestattung ist längst ebenso beliebt wie die traditionelle Erdbestattung im Sarg. Bei der Grabgestaltung gibt es zahlreiche Varianten, ebenso wie bei den Bestattungsorten, Fried- oder Ruhewälder sind echte Alternativen zum klassischen Friedhof. Sogar „Reerdigungen“ sind im Kommen, bei denen Verstorbene in einem Kokon „kompostiert“ und innerhalb von 40 Tagen zu wertvoller Erde werden – ganz nach der altbekannten Formel „Erde zu Erde, Asche zu Asche und Staub zu Staub“.
„Wir werden immer mehr zu einer Ex- und Hopp- Gesellschaft, die Ruhefristen werden immer kürzer. Für mich als Christ ist ein Friedhof ein Ort der Hoffnung, des Gedenkens, der Geschichten erzählt – aber auch ein Ort der Trauer. Und Trauer braucht auch ein Stück Distanz, wenn ich zum Beispiel eine Urne mit nach Hause nehme dann klappt das nicht mit dem Loslassen“, sagt Pfarrer i.R. Dirk Leiendecker. Auch Klaus Redecker sieht Friedhöfe als wichtigen Bestandteil der Kultur. „Sie sind Grundsteine des Zusammenlebens in einer Kommune und das Gedächtnis des Ortes und seiner Geschichte“, erklärt der das stellv. Vorsitzende des Friedhofsausschusses der Kirchengemeinde Steinhagen. Als Orte, an denen Trauer gelebt werden kann, sind sie wichtig für die Angehörigen.
Dieser Meinung ist auch Reimar Küstermann. „Ich finde es eine großartige Sache, wenn wir auch weiterhin die klassische Möglichkeit haben uns physisch in die Nähe der Verstorbenen zu begeben“, sagt der Bestatter, dessen Kunden inzwischen auch digitale Wege der Trauer wie Online-Gedenkbücher nutzen. Möglich ist bei Bestattungen vieles und im Zusammenspiel von Bestattern und Trägern der Friedhöfe auch vieles umsetzbar. Ein nach Mekka ausgerichteter Sarg für einen muslimischen Verstorbenen auf einem Friedhof einer Kirchengemeinde ist nichts Ungewöhnliches mehr, sogar die Sargpflicht kann aufgehoben werden, um eine Bestattung im Tuch zu ermöglichen. „Egal, wie wir uns als Gesellschaft verändern, eines, das wir nicht ändern können ist der Tod“, sagt Dr. Cemil Sahinöz. Der Soziologe und Religionspsychologe arbeitet bei der DRK Integrationsagentur und begrüßt sehr die durch die letzte Änderung des Bestattungsgesetzes geschaffenen neuen Möglichkeiten für Muslime. „Für viele der älteren Generation ist es jetzt nur die Frage, wo sie bestattet werden wollen, in der alten Heimat oder hier in Deutschland in der neuen“.
Kremieren, das in der Evangelischen Kirche seit 1920 möglich ist, ist für Muslime allerdings weiterhin ein Tabu. Die Einäscherung und der Verbleib von Urnen sind aber für viele, die diese Möglichkeit in Betracht ziehen, hochaktuell. Gerade in ihrer Mobilität eingeschränkte Menschen würden gerne die sterblichen Überreste in einer Urne bei sich zuhause aufbewahren um den Verstorbenen nahe zu sein. In Deutschland ist dies verboten – was auch die Experten der Diskussionsrunde nicht ändern würden. Denn durch das Mitnehmen von Urnen könnte im Fall von zerstrittenen Familien die Urne und damit auch der Ort der Trauer anderen dauerhaft vorenthalten werden. Der geltende „Friedhofszwang“, der besagt, dass alle menschlichen Überreste auf einem Friedhof sein müssen, garantiert hier eine öffentliche Zugängigkeit und das Abschiednehmen für jeden.